Con­tai­ner

Eine Kis­te erobert die Welt

„Wir hat­ten Angst, dass Arbeits­plät­ze ver­lo­ren gehen und dass wir mit unse­rer kon­ven­tio­nel­len Umschlag­an­la­ge nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig sein wer­den. Wir wuss­ten, dass wenn sich der Con­tai­ner durch­setzt, wir auf die­sem Gebiet nicht über­le­ben wer­den.

Wir hat­ten kei­ne Kran­ka­pa­zi­tä­ten und noch schlim­mer, kei­ne Flä­chen, die man für Con­tai­ner braucht. Wir haben uns anfangs einen abge­würgt, sind beim Ent­la­den über­all gegen gesto­ßen. Der Schup­pen bekam Ris­se, auf der Kai­an­la­ge wackel­te jede Plat­te, weil die Ladung für die­se Flä­che ein­fach zu schwer war. Wir hat­ten kei­ne Sta­pel­mög­lich­kei­ten, muss­ten hin- und her­fah­ren. Wir waren über­zeugt, dass das nie etwas wird und die Ver­ant­wort­li­chen kei­ne Ahnung hat­ten. Aber wir wur­den eines Bes­se­ren belehrt, ver­lo­ren unse­re Jobs und fan­den schließ­lich neue.“ Im Hafen, ver­steht sich.

Von Beginn dabei

Jockl Hoff­mann, ehe­ma­li­ger See­fah­rer, Hafen­ar­bei­ter und spä­ter Kran­füh­rer, und Albrecht Eisen, frü­her Kapi­tän, Ex-Ter­mi­nal­lei­ter „Tol­ler Ort“ und Pro­ku­rist Gesamt­ha­fen­be­trieb, erzäh­len leb­haft. Sie wis­sen Bescheid. Sie waren dabei. Heu­te sind die Män­ner im Ruhe­stand. Und weil der Hafen sie nie los ließ, enga­gie­ren sie sich ehren­amt­lich im Hafen­mu­se­um Ham­burg. Sie erzäh­len Besu­chern die Geschich­ten von frü­her und erin­nern sich an Zei­ten, als der Hafen noch von Arbei­tern wim­mel­te. Als es noch ein Hafen­le­ben gab mit Scho­ten und Schu­ten. Als dort noch Ewer­füh­rer, Quar­tiers­män­ner, Hafen­schlep­per, Fischer und Netz­knüp­fer arbei­te­ten. Als die Ladung in Säcken, Bal­len oder Kis­ten ankam und man sie ein­zeln aus den Lade­räu­men der Frach­ter lösch­te. Und als der Con­tai­ner kam und sich alles änder­te – und es bis heu­te tut.

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Die ers­ten Con­tai­ner kamen mit der „MS Fair­land“

Es war vor 50 Jah­ren am 5. Mai 1966. Die „MS Fair­land“ der ame­ri­ka­ni­schen Ree­de­rei Sea Land mach­te im Bre­mer Über­see­ha­fen fest. Sie ent­lud die ers­ten Con­tai­ner auf deut­schen Boden. Als ers­ter deut­scher Hafen­be­trei­ber war die Bre­mer Lager­haus-Gesell­schaft (heu­te BLG Logi­stics) in der Lage und auch wil­lens, hier­zu­lan­de das Con­tai­ner­zeit­al­ter ein­zu­lei­ten. „Wäh­rend damals in fast allen euro­päi­schen See­hä­fen und bei den Ree­dern die Skep­sis gegen­über die­ser neu­en Trans­port­art über­wog, leis­te­te die Bre­mer Lager­haus-Gesell­schaft in der Geburts­stun­de des Con­tai­ner­ver­kehrs in Deutsch­land ent­schei­den­de Start­hil­fe“, sagt Frank Dree­ke, Vor­stands­vor­sit­zen­der der BLG Logi­stics. Das sei eine muti­ge Ent­schei­dung gewe­sen, aber weil die BLG damals vor­an­ge­gan­gen sei, habe man heu­te den Con­tai­ner­um­schlag in Bre­mer­ha­ven und fer­ti­ge an den Euro­ga­te-Ter­mi­nals die größ­ten Schif­fe der Welt ab. Dree­ke war damals sechs Jah­re alt. An der Hand sei­ner Mut­ter staun­te er, wie die ers­ten 100 Boxen auf der bre­mi­schem Kai­an­la­ge abge­stellt wur­den.

Con­tai­ner statt Pfef­fer­sack

Auch in Ham­burg gab es einen Visio­när im Hafen: Kurt Eckel­mann. Er lei­te­te in vier­ter Gene­ra­ti­on die Ewer­füh­re­rei der Fami­lie und ent­schied sich für einen land­sei­ti­gen Expan­si­ons­kurs. Nach­dem er das neue Trans­port­sys­tem 1964 in Phil­adel­phia (USA) ent­deck­te, infor­mier­te er sei­nen Freund und dama­li­gen Wirt­schafts­se­na­tor Hel­muth Kern. Die­sem war klar: „Die­se Kis­te ändert alles.“ Wäh­rend Eckel­mann die Fir­ma Euro­kai grün­de­te, die 1969 ihren Betrieb auf­nahm, brach­te Kern gemein­sam mit der HHLA und ande­ren Hafen­un­ter­neh­men den Con­tai­ner nach Ham­burg. Mit der Ankunft der „Ame­ri­can Lan­cer“ der US-ame­ri­ka­ni­schen Ree­de­rei United Sta­tes Lines im Mai 1968 begann schließ­lich in Ham­burg der Con­tai­ner­um­schlag. Es war ein Schiff ohne jeg­li­ches Lade­ge­schirr, 213 m lang und anfangs für den Trans­port von 1178 20-Fuß-Con­tai­nern aus­ge­legt. Die letz­te Ent­wick­lungs­stu­fe kam auf eine Kapa­zi­tät von 1434 TEU. Davon konn­ten 150 Ein­hei­ten als Kühl­con­tai­ner gefah­ren wer­den.
Mit der Ankunft der Schif­fe allein war es aller­dings nicht getan. Die Umschlag­an­la­gen muss­ten ange­passt wer­den. Con­tai­ner brauch­ten kei­ne Schup­pen mehr, sie fun­gier­ten selbst als Lager. Die Schup­pen wur­den abge­ris­sen, Hafen­be­cken zuge­schüt­tet. Der Hafen brauch­te viel grö­ße­re, freie Stau- und Sta­pel­flä­chen. Es muss­te star­ke, wen­di­ge Flur­för­der­zeu­ge geben, die die Boxen grei­fen und zwi­schen Kai­kan­te und Lkw oder Zug umset­zen konn­ten. Con­tai­ner­brü­cken wur­den auf­ge­stellt. Es galt, gleich­zei­tig vie­le Pro­ble­me zu lösen. „Es hat­te kei­nen Sinn, die Augen vor die­ser Her­aus­for­de­rung zu ver­schlie­ßen. Wir muss­ten die Hafen­struk­tur ent­spre­chend ändern und es war auch klar, dass es ganz neue Jobs geben wür­de“, sag­te der heu­te 89-jäh­ri­ge Kern bereits 2010 zum 45-jäh­ri­gen Con­tai­ner­ju­bi­lä­um. Die Stan­dar­di­sie­rung und Ratio­na­li­sie­rung von Trans­por­ten hat in der Abwick­lung von Waren einen immensen Effi­zi­enz­ge­winn geschaf­fen. Sie war die ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung für die Glo­ba­li­sie­rung, sagen Exper­ten heu­te.

Die HHLA beschloss 1965, dass am Bur­chard­kai (CTB) die ers­te Spe­zi­al­an­la­ge für den Con­tai­ner­um­schlag ent­ste­hen soll­te. Die ers­ten Con­tai­ner­brü­cken wur­den dort 1967 auf­ge­baut und konn­ten 12 bis 18 Con­tai­ner in der Stun­de umschla­gen. Bereits 1972 stan­den sechs Con­tai­ner­brü­cken an sechs Lie­ge­plät­zen zur Ver­fü­gung, die Con­tai­ner­schif­fe mit bis zu 2.600 TEU Tag und Nacht abfer­tig­ten. Für die Stahl­bo­xen ent­wi­ckel­te die HHLA gemein­sam mit dem Her­stel­ler Pei­ner den Por­tal-Hub­wa­gen, der sich als Van-Car­ri­er spä­ter welt­weit durch­setz­te. Im nächs­ten Schritt wur­de die Ver­wal­tung der Con­tai­ner durch elek­tro­ni­sche Daten­ver­ar­bei­tung auto­ma­ti­siert. Ab 1984 per­fek­tio­nier­ten Daten­funk­sys­te­me das Lagern auf dem Ter­mi­nal­ge­län­de und seit 1995 setzt der Buchard­kai Satel­li­ten­da­ten zur genau­en Posi­tio­nie­rung der Con­tai­ner ein. 1977 wur­de das Con­tai­ner­ter­mi­nal Tol­ler­ort (CTT) eröff­net, 2002 das moderns­te sei­ner Art, das Con­tai­ner­ter­mi­nal Alten­wer­der (CTA).

100.000 Boxen in zwei Jah­ren

In Bre­men erfolg­te im Novem­ber 1968 der Umschlag des 100.000sten Con­tai­ners seit Auf­nah­me des Con­tai­ner­ver­kehrs in den bre­mi­schen Häfen. Es zeich­ne­te sich ab, dass die Bedin­gun­gen in Bre­mer­ha­ven für die immer grö­ßer wer­den­den Con­tai­ner­schif­fe bes­ser waren. Die Lage an der Nord­see erspar­te den Schif­fen lan­ge Revier­fahr­ten, zudem stan­den dort grö­ße­re Flä­chen zur Ver­fü­gung. Und so ver­la­ger­te sich das Con­tai­ner­ge­schäft 1995 voll­stän­dig von Bre­men nach Bre­mer­ha­ven. Heu­te gilt Bre­mer­ha­ven mit sei­ner Umschlags­ka­pa­zi­tät von acht Mio. TEU als moder­ner und leis­tungs­fä­hi­ger Hub für Con­tai­ner­ver­keh­re nach ganz Euro­pa und in die Welt.

Unauf­halt­sam dank Nor­mie­rung

Der Con­tai­ner­ver­kehr ent­wi­ckel­te sich rasant. Nach nur weni­gen Jah­ren einig­te man sich inter­na­tio­nal auf die Maße 8 Fuß hoch, 8 Fuß breit und 20 Fuß lang (2,44×2,44×6,06 m). Jeder Con­tai­ner bekam eine Ken­nung aus elf Zei­chen, vier Buch­sta­ben und sie­ben Zah­len, über die er sich ein­deu­tig iden­ti­fi­zie­ren lässt. Es ent­stand ein vor­ge­ge­be­nes Ras­ter sowohl für Con­tai­ner­schif­fe also auch für das Ter­mi­nal­ge­län­de – und zwar welt­weit, sodass die eigens dafür ent­wi­ckel­ten Sprea­der mit den Twist­locks immer pas­sen.
Die Box war preis­wert und schnell. Sie konn­te am Ursprungs­ort be- und muss­te erst beim Emp­fän­ger ent­la­den wer­den. Anfang der 1970er-Jah­re kamen die 40-Fuß-Boxen dazu. Die Spe­di­teu­re erkann­ten schnell den Vor­teil des Dop­pel­con­tai­ners, in den zwei Autos auf ein­mal pass­ten. Es begann ein Feil­schen um Rabat­te, das die Umschlags­be­trie­be bald been­de­ten. Sie leg­ten den Preis pro Con­tai­ner fest, egal wie schwer die­ser bela­den war.
Als Erfin­der des Con­tai­ners gilt der ame­ri­ka­ni­sche Spe­di­teur Mal­com McLean. Er hat­te schon in den 1930er-Jah­ren die Idee, Güter ratio­nel­ler zu beför­dern. Er ver­stau­te zunächst gan­ze Lkw auf Schif­fen, spä­ter dann nur die Trai­ler mit den Behäl­tern. Mit­te der 1950er ließ er auch die Trai­ler weg und beför­der­te nur noch die Boxen. McLean soll beim Zie­hen einer Schach­tel Ziga­ret­ten aus einem Auto­ma­ten auf die Idee der sta­pel­ba­ren Behäl­ter gekom­men sein. Wie die Ziga­ret­ten­schach­teln im Auto­ma­ten soll­ten die Con­tai­ner im Schiff lie­gen, stell­te er sich vor. Sei­ne ers­ten Schif­fe rüs­te­te er mit Por­tal­krä­nen aus, da die Häfen anfangs noch nicht über geeig­ne­tes Gerät ver­füg­ten.

Groß, Grö­ßer, Con­tai­ner­schif­fe

Die „MS Fair­land“ war 142 m lang und 19,20 m breit. Sie trans­por­tier­te 226 TEU (20-Fuß-Con­tai­ner). Bald folg­ten die ers­ten Voll­con­tai­ner­schif­fe mit Platz für meh­re­re hun­dert Boxen. Schon Ende der 1960er-Jah­re erreich­te die zwei­te Gene­ra­ti­on Con­tai­ner­schif­fe eine Kapa­zi­tät zwi­schen 1000 und 2000 TEU. Die drit­te Gene­ra­ti­on von Mit­te der 1970er-Jah­re schaff­te bis zu 3000 Boxen. In den 1980er-Jah­ren konn­ten die Schif­fe 4800 Con­tai­ner auf­neh­men. Bei den 8000-TEU-Schif­fen, die die Ree­de­rei Maersk Ende der 1990er-Jah­re als ers­te nutz­te, waren vie­le Exper­ten über­zeugt, dass die Schif­fe nun nicht mehr viel grö­ßer wer­den könn­ten. Doch sie wuch­sen wei­ter. Spit­zen­rei­ter ist der­zeit die 58,6 m brei­te „MSC Zoe“ mit Stell­plät­zen für 19224 TEU.
Albrecht Eisen muss­te vie­le Leu­te ent­las­sen, bevor er selbst raus­flog. Er hat­te Glück und wur­de Betriebs­lei­ter bei Tol­ler­ort. Auch Jockl Hoff­mann hat damals sei­nen Job ver­lo­ren, klas­si­sche Hafen­ar­bei­ter wur­den nicht mehr gebraucht. Er sat­tel­te um, wur­de Con­tai­ner­brü­cken­fah­rer. Ande­re lie­ßen sich zu Van-Car­ri­er-Fah­rern umschu­len. Es wur­den soge­nann­te Lascher ein­ge­setzt, die mit Ket­ten Stan­gen und Spann­schrau­ben die Con­tai­ner an Deck befes­ti­gen. Mit­te der 1980er-Jah­re ent­stand der Aus­bil­dungs­be­ruf des See­gü­ter­kon­trol­leurs. Er arbei­tet auf Kai­um­schlag­an­la­gen, in Lager­häu­sern und Frei­la­gern, beauf­sich­tigt den ord­nungs­ge­mä­ßen und unbe­schä­dig­ten Über­gang kost­ba­rer Ladun­gen, nimmt Pro­ben und muss die Eigen­ar­ten unter­schied­li­cher Güter wie von Kaf­fee­boh­nen und Elek­tro­ge­rä­ten ken­nen. Heu­te sind im Hafen auch EDV-Fach­leu­te und Infor­ma­ti­ker gefragt.

Hafen 4.0

Die Digi­ta­li­sie­rung hat längst Ein­zug gehal­ten in moder­nen Häfen. Es gilt, Daten früh­zei­tig aus­zu­tau­schen, damit alles rei­bungs­los klappt. Der Ham­bur­ger Hafen ist der­zeit dabei, sich mit sechs wei­te­ren bedeu­ten­den Häfen der Welt zu ver­net­zen. Dahin­ter steckt die Idee, auch  künf­tig öko­no­misch und öko­lo­gisch wei­ter erfolg­reich agie­ren zu kön­nen – in Zei­ten, in denen die Häfen kein zwei­stel­li­ges Wachs­tum mehr ver­zeich­nen. Die nau­ti­sche Erreich­bar­keit sei wich­tig, Kai­an­la­gen und Ter­mi­nals müs­sen wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. „Wir müs­sen uns jetzt Gedan­ken dar­über machen, wie wir mit den Groß­schif­fen und den auf­kom­men­den Spit­zen­be­las­tun­gen umge­hen“, sagt Ham­burgs Hafen­chef Jens Mei­er. Waren es vor 50 Jah­ren gera­de mal 100 Boxen, die in Bre­men gelöscht wur­den, schla­gen die Häfen Ham­burg und Bre­mer­ha­ven inzwi­schen jähr­lich knapp 15 Mio. TEU um. Bes­ser lässt sich eine Erfolgs­ge­schich­te nicht schrei­ben.

Herz­li­chen Glück­wunsch, Con­tai­ner.

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http://hhla.de/de/foto-film/filme/meister-des-welthandels.html

Fotos: SZ-Pho­to; BLG (4)