Durst?

War­um die Rega­le im Geträn­ke­markt nie leer wer­den

Der Hof hin­ter dem Logis­tik­zen­trum der West­deut­schen Geträn­kel­o­gis­tik ist eine wah­re Far­ben­pracht. Hier ste­hen Bier‑, Saft- und Was­ser­käs­ten der diver­sen Mar­ken, die in deut­schen Super­märk­ten oder bei Geträn­ke­ab­hol­märk­ten ange­bo­ten wer­den, in mas­si­ven Blö­cken und war­ten auf den Rück­trans­port zum Abfül­ler. Ein auf den ers­ten Blick beschau­li­ches Bild, doch der Ein­druck täuscht. Schließ­lich geht es hier nicht allein um einen simp­len Rever­se-Logi­stics-Auf­trag, son­dern um ein kom­ple­xes Gebil­de aus Belie­fe­rung mit vol­len Kis­ten, zum Teil weit ver­setz­ter Abho­lung von Leer­gut sowie einem guten Drit­tel bran­chen­frem­der Trans­por­te für Drit­te.

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Rüt­ters: “Bis­wei­len müs­sen wir apo­ka­lyp­ti­sche Men­gen abwi­ckeln.” (Foto: Heying)

Der Mann, der hier den Über­blick hat, ist Mar­kus Rüt­ters, Spre­cher der Geschäfts­füh­rung der Veltins Betei­li­gun­gen GmbH & Co. KG und in Per­so­nal­uni­on Chef der WGL. Der 43-Jäh­ri­ge ist so etwas wie ein logis­ti­sches Wun­der­kind, der sei­ne der­zei­ti­ge Posi­ti­on bereits mit 34 Jah­ren mit dem Auf­trag über­nom­men hat, die ver­al­te­ten Struk­tu­ren auf den neu­es­ten Stand zu brin­gen — sprich pro­fi­ta­bel zu machen.

“Als die Braue­rei­grup­pe Veltins ihren Dienst­leis­ter WGL 2004 über­nahm, war die­ser rigo­ros an den Spit­zen­las­ten sei­ner Auf­trag­ge­ber aus­ge­rich­tet, weil er sich dar­an mes­sen las­sen muss­te, wie er die­se abbil­den konn­te”, erklärt Rüt­ters, “Das hieß aber nichts ande­res, als dass das Unter­neh­men eine gro­ße Flot­te eige­ner Fahr­zeu­ge unter­hal­ten hat, um im Ernst­fall über aus­rei­chend Trans­port­res­sour­cen ver­fü­gen zu kön­nen.” Eine kos­ten­in­ten­si­ve Stra­te­gie, die zudem zur Fol­ge hat­te, dass in Flau­te­zei­ten vie­le Fahr­zeu­ge unbe­schäf­tigt auf dem Hof stan­den.

Stark schwan­ken­des Geschäft

Heu­te dage­gen ist das Geschäft an den sai­so­na­len Schwan­kun­gen aus­ge­rich­tet. Rüt­ters hat den Fuhr­park abge­speckt und dafür eine Grup­pe von 100 Sub­un­ter­neh­mern auf­ge­baut, auf deren Kapa­zi­tä­ten er neben dem Fuhr­park der eige­nen WGL-Spe­di­ti­ons­toch­ter Bor­chers-Nord­west zurück­grei­fen kann. Zur­zeit unter­hält die WGL noch einen Fuhr­park von 110 Ein­hei­ten, bei Bor­chers-Nord­west sind es 60 Fahr­zeu­ge — das reicht, um im Ver­bund mit den exter­nen Part­nern die Auf­trä­ge abwi­ckeln zu kön­nen.

Der zur­zeit ein­zi­ge limi­tie­ren­de Fak­tor sind die Fah­rer. Um den Fuhr­park in der Hoch­sai­son opti­mal zu nut­zen, müs­sen die Fahr­zeu­ge unter der Woche dop­pel­schich­tig rund 18 bis 20 Stun­den am Tag unter­wegs sein, wobei in ver­schie­de­nen Regio­nen auch die Sams­tags­be­lie­fe­rung kein Tabu ist. Hier wird es mit­un­ter eng, wenn es dar­um geht, die vor­ge­schrie­be­nen Lenk- und Ruhe­zei­ten ein­zu­hal­ten. Dann müs­sen auch schon mal Fah­rer ran, die von einem Per­so­nal­dienst­leis­ter oder als Aus­hilfs­fah­rer beschäf­tigt sind.

Anders sieht es in dem auf­kom­mens­schwa­chen Herbst- und Win­ter­halb­jahr aus. Hier hat Rüt­ters mitt­ler­wei­le ein sta­bi­les Dritt­ge­schäft eta­blie­ren kön­nen. Außer Heiz­mit­teln wie Pel­lets und Bri­ketts fah­ren die WGL-Last­zü­ge dann auch Erden, Pflan­zen und Dün­ge­mit­tel — Waren­grup­pen eben, die anti­zy­klisch zu Geträn­ken gefragt sind. Wie aus­kömm­lich die­ses Geschäft ist, woll­te der Mana­ger aller­dings nicht ver­ra­ten. “Der Fuhr­park ist kos­ten­de­ckend aus­ge­las­tet”, sag­te er ledig­lich.

Doch das ist eigent­lich ein Neben­schau­platz, denn nach wie vor ist das Geschäft mit dem Ein­zel­han­del das Haupt­stand­bein der WGL — und die gro­ßen Ket­ten sind sehr anspruchs­vol­le Kun­den. Sie erwar­ten, dass auch kurz­fris­ti­ge Orders ein­wand­frei gelie­fert wer­den. Kurz­fris­tig heißt in die­sem Fall, dass es nur etwa ein bis zwei Wochen Vor­lauf gibt. Als Bei­spiel nennt Rüt­ters Preis­ak­tio­nen für bestimm­te Geträn­ke­sor­ten. Zwar pla­nen die Zen­tra­len der Ein­zel­händ­ler die­se ver­gleichs­wei­se früh, aller­dings kom­men die­se Infor­ma­tio­nen meist erst weni­ge Tage vor dem Akti­ons­zeit­punkt bei der WGL an. “Wir müs­sen immer mit einem nicht vor­her­seh­ba­ren Men­gen­auf­kom­men rech­nen und extrem reak­ti­ons­schnell sein”, sagt Rüt­ters.

Sprung­haf­tes Men­gen­wachs­tum inklu­si­ve

Die­se mitt­ler­wei­le schon all­täg­li­che Her­aus­for­de­rung erlebt dann noch ein­mal eine Stei­ge­rung, in “kur­zen Wochen” mit einem Fei­er­tag. Hier ver­dich­tet sich das nor­ma­le Auf­kom­men bereits, da die Men­gen, die übli­cher­wei­se in fünf Tagen gelie­fert wer­den, nun in vier Tagen trans­por­tiert wer­den müs­sen. “Kom­men noch Akti­ons­wa­ren hin­zu, müs­sen wir bis­wei­len apo­ka­lyp­ti­sche Men­gen abwi­ckeln”, berich­tet Rüt­ters. Um hier in jedem Fall lie­fer­fä­hig sein zu kön­nen, hat sich die WGL vom Gedan­ken schlan­ker Läger ver­ab­schie­det. “Da wir oft bis kurz vor dem Lie­fer­ter­min nicht exakt wis­sen, was per Akti­on ver­äu­ßert wird, müs­sen wir vie­le Waren­grup­pen bevor­ra­ten”, erklärt der Geschäfts­füh­rer.

Als Dienst­leis­ter ist die WGL aber nicht nur mit den Wün­schen des Han­dels kon­fron­tiert, auch die Abfül­ler stel­len For­de­run­gen. Die­se sind dar­auf ange­wie­sen, dass immer aus­rei­chend Leer­gut aus dem Mehr­weg­sys­tem wie­der in die Pro­duk­ti­on zurück­ge­führt wird. Das aber ist mit­un­ter schwie­rig: Men­gen, die über Preis­ak­tio­nen oder auf­grund einer Schön­wet­ter­pe­ri­ode ver­kauft wer­den, wer­den erst nach und nach ver­braucht, so dass Leer­gut fehlt. “In man­chen Fäl­len geht das so weit, dass der Abfül­ler uns sagt, wir bekä­men nur neue Ladung, wenn wir auch Leer­gut bräch­ten”, berich­tet Rüt­ters aus der Pra­xis.

An die­ser Pro­ble­ma­tik auf Sei­ten der Abfül­ler dürf­te sich künf­tig kaum etwas ändern, doch zumin­dest der Han­del könn­te das Geschäft der WGL erleich­tern. Dabei schlägt Rüt­ters drei mög­li­che Wege vor. Zum einen könn­ten die Ver­ant­wort­li­chen für die Preis­ak­tio­nen ihre Pla­nun­gen frü­her an den Groß­han­del wei­ter­ge­ben, so dass die Lie­fer­pro­zes­se ent­zerrt wer­den kön­nen. Müs­sen dage­gen gro­ße Men­gen in sehr kur­zer Zeit beför­dert wer­den, führt dies zu län­ge­ren Stand­zei­ten bei den abfül­len­den Betrie­ben — und das treibt die Logis­tik­kos­ten nach oben.

Glät­tung der Waren­strö­me

Dane­ben wünscht sich Rüt­ters, dass sei­ne Part­ner ihre Bestel­lun­gen nach sinn­vol­ler Ein­schät­zung etwas frü­her plat­zie­ren. “Das wür­de die Waren­strö­me ein Stück weit glät­ten und uns erlau­ben, noch effi­zi­en­ter zu arbei­ten”, sagt der Logis­tik­ma­na­ger. Dazu wür­de auch bei­tra­gen, dass sich die Ein­zel­händ­ler frü­her als bis­her dazu ent­schlie­ßen könn­ten, so genann­te “Pen­ner-Pro­duk­te” aus­zu­lis­ten. Die­se wür­den dann die Läger der WGL nicht unnö­tig aus­las­ten, so dass mehr Platz für wei­te­re Geträn­ke­grup­pen vor­han­den wäre.

Das ist aller­dings auch not­wen­dig: So wur­den allein auf der letz­ten Waren­bör­se für die Markt­lei­ter der Geträn­ke­han­dels­ket­te Durs­ty, einer Kon­zern­schwes­ter der WGL, 117 neue Pro­duk­te vor­ge­stellt. Damit ist vor­ge­zeich­net, dass die­se neu­en Sor­ten zum gro­ßen Teil auch in den WGL-Lägern vor­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Dabei wer­den jedoch die Ein­zel­men­gen abneh­men, da die wach­sen­de Diver­si­fi­ka­ti­on nicht auto­ma­tisch dazu führt, dass mehr getrun­ken wird — der logis­ti­sche Anspruch an die WGL wird viel­fäl­ti­ger.

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