Poli­tik

“Wir den­ken an die Tram und City­hubs”

Regi­ne Gün­ther ist im neu­en Ber­li­ner Senat für Umwelt, Ver­kehr und Kli­ma­schutz zustän­dig. Für eine Groß­stadt mit wach­sen­der Bevöl­ke­rung und zuneh­men­dem Ver­kehr steht die par­tei­lo­se Sena­to­rin vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen. Die DVZ sprach mit ihr über Ideen und Kon­zep­te und wie sie künf­tig Indi­vi­du­al- und Lie­fer­ver­keh­re ver­ein­ba­ren will.

Von Susan­ne Land­wehr

DVZ: Wie sieht die Mobi­li­tät von mor­gen aus?

Regi­ne Gün­ther: Wir arbei­ten dar­an, die Mobi­li­tät in der Stadt viel bes­ser zu ver­net­zen, so dass ver­schie­de­ne Ver­kehrs­trä­ger inein­an­der­grei­fen. Rad­ver­kehr, Öffent­li­cher Per­so­nen­nah­ver­kehr (ÖPNV), Indi­vi­du­al- und Wirt­schafts­ver­kehr müs­sen stär­ker auf­ein­an­der abge­stimmt wer­den. Wir stel­len uns aber auch die Mobi­li­tät viel sau­be­rer vor und wol­len län­ger­fris­tig kei­ne Verbrennungsmotoren­.

Wür­den Sie sich Stutt­gart anschlie­ßen und sagen, von 2018  an sol­len Die­sel­fahr­zeu­ge ver­bo­ten wer­den?

Wir schau­en uns an, wel­che Erfah­run­gen in Stutt­gart mit Fahr­ver­bo­ten gemacht wer­den. In Ber­lin haben wir ein gro­ßes Stick­oxid­pro­blem. An vie­len Mess­stel­len sind die Grenz­wer­te deut­lich über­schrit­ten. Damit ist die Gesund­heit der Men­schen gefähr­det. Minis­ter Dob­rindt hat die Blaue Pla­ket­te bis­her ver­hin­dert, wir wer­den uns aber wei­ter dafür ein­set­zen. Für den Wirt­schafts­ver­kehr wird es Über­gangs­fris­ten und Aus­nah­men geben müs­sen, denn bei den leich­ten Nutz­fahr­zeu­gen hat die Indus­trie bis­her kei­ne sau­be­ren Alter­na­ti­ven im Ange­bot. Der Hand­lungs­druck ist in den Städ­ten ange­kom­men, unter ande­rem durch das Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren der EU und die aktu­el­len Gerichts­ur­tei­le.

Haben Sie sich ein Ziel gesetzt, bis wann Sie das ­Stick­oxid­pro­blem in Ber­lin gelöst haben möch­ten?

Wir bau­en den ÖPNV und die Rad­ver­kehrs­in­fra­struk­tur aus, und wir ver­su­chen den Umwelt­ver­bund zu stär­ken. Es geht dar­um, Alter­na­ti­ven zum Auto zu bie­ten. Das wird nicht von heu­te auf mor­gen gehen. Die Fra­ge ist: Was machen wir in der Zwi­schen­zeit? Wir wol­len des­halb Tem­po 30 an den stark belas­te­ten Stra­ßen, um dadurch den Ver­kehr flüs­si­ger zu machen. So tra­gen wir dazu bei, die Emis­sio­nen zu ver­rin­gern. Wir kön­nen aller­dings das Ver­sa­gen des Bun­des auf kom­mu­na­ler Ebe­ne nicht zu 100 Pro­zent lösen. Der Bund hat nichts gelie­fert und die Betrof­fe­nen allein­ge­las­sen. Das ist schon bemer­kens­wert.

Wie wol­len Sie das ändern?

Wir sind in Gesprä­chen mit dem Bund, wel­che Ver­än­de­run­gen zu errei­chen sind. Das wird eine Prio­ri­tät nach der Bun­des­tags­wahl sein. Wir wer­den außer­dem ver­su­chen, wei­te­re Län­der zu gewin­nen, die die Blaue Pla­ket­te unter­stüt­zen. Und wir wer­den Gesprä­che füh­ren, wie die Pri­vi­le­gie­rung von Die­sel­fahr­zeu­gen auf­ge­ho­ben wer­den kann.

Wenn Sie sagen, Sie wol­len den Rad­ver­kehr, Tem­po-30-Zonen, Indi­vi­du­al­ver­kehr und ÖPNV för­dern, wie pas­sen dann die Logis­tik und der Lie­fer­ver­kehr in Ihr Kon­zept?

Der Lie­fer­ver­kehr und die Logis­tik sind für die Wirt­schaft in der Stadt von gro­ßer Bedeu­tung. Damit Ber­lin mobi­ler und siche­rer wird, wol­len wir auch hier neue Wege gehen. Wir sind gera­de dabei, neue Kon­zep­te zu ent­wi­ckeln. Dabei geht es unter ande­rem um die letz­te Mei­le zum Kun­den. Las­ten­fahr­rä­der kön­nen eine ­Alter­na­ti­ve sein – wenn auch nicht für jede Lie­fe­rung. Wir ent­wi­ckeln gera­de ein Modell­pro­jekt, an dem sich die gro­ßen Unter­neh­men der Kep-Bran­che betei­li­gen. Wir ver­su­chen, sehr nah am Kun­den zu agie­ren.

Gehö­ren Innen­stadt­la­ger auch zu dem Modell­pro­jekt?

Ja, aber lei­der ist Ber­lin kein Vor­rei­ter, son­dern eher Nach­züg­ler. Inso­fern schau­en wir uns gera­de an, was ande­re schon vor­ma­chen und ob wir von ihnen ler­nen kön­nen. Wien, Paris und Lon­don sind Groß­städ­te, die mit den glei­chen Pro­ble­men kon­fron­tiert sind wie Ber­lin.

Sind denn für Sie die City­lo­gis­tik und Lie­fer­ver­keh­re ein sehr wich­ti­ges The­ma?

Sicher, der Wirt­schafts­ver­kehr ist für das Funk­tio­nie­ren der Stadt enorm wich­tig. Wir ent­wi­ckeln gera­de ein zen­tra­les Mobi­li­täts­ge­setz, in dem der Wirt­schafts­ver­kehr ein wich­ti­ges The­ma sein wird – neben dem Öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr, dem Rad­ver­kehr und dem Fuß­ver­kehr.

Sind Sie in Kon­takt mit Ver­bän­den und Unter­neh­men?

Wir haben ange­fan­gen, mit Ver­bän­den zu dis­ku­tie­ren. Natür­lich haben wir nach drei Mona­ten noch nicht alle Pro­ble­me gelöst, die in den letz­ten Jah­ren auf­ge­lau­fen sind. Der Wirt­schafts­ver­kehr darf nicht nur als Bar­rie­re wahr­ge­nom­men wer­den, son­dern muss so inte­griert sein, dass er ins Gesamt­bild passt.

Pla­nen Sie einen Logis­tik­be­auf­trag­ten, der sich spe­zi­ell um die­se Bran­che küm­mert?

Beauf­trag­te sind nicht das Non­plus­ul­tra. Ich glau­be nicht, dass wir mit ihnen alle Pro­ble­me lösen.

Gibt es denn schon Ideen, wie Sie den Lie­fer­ver­kehr in irgend­ei­ner Wei­se bes­ser kana­li­sie­ren kön­nen?

Wir den­ken unter ande­rem in Rich­tung von City­hubs und prü­fen, ob wir neben Las­ten­rä­dern und emis­si­ons­frei­en Fahr­zeu­gen auch die Stra­ßen­bahn für Lie­fe­run­gen nut­zen kön­nen. Wir wis­sen, dass die Fra­ge nach kon­flikt­ar­men Flä­chen für bei­spiels­wei­se Lage­rung und Umschlag eine ganz ent­schei­den­de ist. Daher arbei­ten wir in Ber­lin kon­ti­nu­ier­lich an die­sem The­ma, nicht nur in Bezug auf die Flä­chen­si­che­rung, son­dern auch für neue Lösun­gen.

Die Bun­des­re­gie­rung will mög­lichst viel Ver­kehr von der Stra­ße auf die Schie­ne und auf die Was­ser­stra­ße ver­la­gern, soweit das mög­lich ist und soweit auch alles aus­ge­baut ist. Wie wol­len Sie den Kom­bi­nier­ten Ver­kehr för­dern?

Wir haben funk­tio­nie­ren­de Kon­zep­te in der Stadt. Allein der West­ha­fen schlägt jähr­lich mehr als 100.000 Teu um. Die Schie­ne und die Was­ser­stra­ße spie­len für Ber­lin, die Ber­li­ner Unter­neh­men und die gesam­te Haupt­stadt­re­gi­on wei­ter­hin eine ent­schei­den­de Rol­le. Der Kom­bi­nier­te Ver­kehr wird daher bei den Über­le­gun­gen zum Wirt­schafts­ver­kehr kon­se­quent mit­ge­dacht.

Wel­chen Stel­len­wert hat für Sie die Elek­tro­mo­bi­li­tät?

Der Bedarf ist da, aber die Ange­bo­te feh­len. Es feh­len gute Mit­tel­klas­se­wa­gen mit einer ver­nünf­ti­gen Reich­wei­te, die auch noch bezahl­bar sind. Wir wol­len bei den Lade­säu­len deut­lich vor­an­kom­men und wer­den ver­su­chen, Betriebs­fahr­zeu­ge beim Land Ber­lin umzu­rüs­ten. Wenn man dekar­bo­ni­sie­ren will, führt an der Elek­tro­mo­bi­li­tät kein Weg vor­bei.