Res­sour­cen scho­nen

Cle­ver in die City und damit Emis­sio­nen sen­ken

Es sind 30 Grad. In Frank­furt am Main brei­tet sich auch im Sep­tem­ber des Jah­res 2020 noch brü­ten­de Hit­ze aus. An die­sem Tag ist der Kurier­fah­rer Dari­us Johns beson­ders froh, dass er vor eini­gen Wochen von sei­nem 3,5‑t-LKW auf ein Elek­tro­fahr­rad umstei­gen konn­te. Ein Paket nach dem ande­ren wan­dert in sei­ne hoch­mo­dern gestal­te­te und mit Stoff bezo­ge­ne Paket­box auf dem E‑Bike. Wenn es nach ihm gegan­gen wäre, hät­te es aller­dings eine ein­fa­che Plas­tik­box auch getan. Er unter­hält sich mit Kol­le­gen, die ihm dabei hel­fen, die letz­ten Pake­te aus dem Con­tai­ner zu zie­hen.

Im Zen­trum die­ses Blicks in die Zukunft ste­hen die Con­tai­ner. Als Hort der Pake­te sol­len sie in dem Pilot­pro­jekt Koope­ra­tio­nen auf der letz­ten Mei­le als Sam­mel­con­tai­ner außer­halb der Stadt bela­den und täg­lich in die Stadt Frank­furt gefah­ren wer­den. Dort folgt eine Umla­dung in die Elek­tro­fahr­zeu­ge und im Tages­ver­lauf eine erneu­te Bela­dung mit Pake­ten aus den Geschäf­ten der Frank­fur­ter Innen­stadt. Abends tritt der Con­tai­ner per LKW den Rück­weg in die umlie­gen­den Mikro­kon­so­li­die­rungs­zen­tren an. Dort wird er ent­la­den, die Pake­te wer­den wei­ter­trans­por­tiert Rich­tung Kun­den.

Das zusätz­li­che Hand­ling, das damit anfällt, soll sich durch weni­ger Fahr­ten in die Innen­stadt für die Unter­neh­men und weni­ger CO2 für die Stadt bezahlt machen. Rücken­wind erhält das Pro­jekt durch den Beschluss der Stadt Frank­furt von Ende Juli, die CO2-Emis­sio­nen bis 2050 um min­des­tens 95 Pro­zent zu sen­ken. Das betrifft logi­scher­wei­se auch den Ver­kehr, der in Frank­furt 20 Pro­zent der Gesamt­ener­gie der Stadt ver­braucht – ohne Flug- und Schiffs­ver­kehr. Mit die­ser Vor­ga­be müss­te der Per­so­nen- und Güter­ver­kehr wei­test­ge­hend emis­si­ons­frei ablau­fen.

Kep-Dienst­leis­ter wie UPS betei­ligt

In der Frank­fur­ter Innen­stadt wer­den die Kurie­re vor­aus­sicht­lich im Diens­te meh­re­rer Kep-Dienst­leis­ter unter­wegs sein. Einer davon dürf­te UPS sein. Der Logis­ti­ker arbei­tet mit beim gro­ßen Ver­suchs­feld „Belie­fe­rung auf der letz­ten Mei­le“, das in meh­re­ren Städ­ten und auf vie­len Kon­fe­ren­zen dis­ku­tiert wird. Die vor­ran­gi­gen Zie­le sind dabei eine deut­li­che Ver­min­de­rung des inner­städ­ti­schen Ver­kehrs und weni­ger CO2. „Wir wol­len die mit Die­sel­fahr­zeu­gen gefah­re­nen Kilo­me­ter in den Innen­städ­ten redu­zie­ren“, sagt Lars Pur­kar­tho­fer, Mana­ger Public Affairs Deutsch­land bei UPS.

In Ham­burg läuft ein ähn­li­ches Pro­jekt bereits an. Vier Con­tai­ner pen­deln in der Han­se­stadt zwi­schen Umland und Innen­stadt hin und her. Die letz­te Mei­le zwi­schen Con­tai­ner und Kun­de legen die Pake­te auf dem Las­ten­fahr­rad oder auch mit der Sack­kar­re zurück. Damit spart UPS in Ham­burg rund 500 Stopps mit Die­sel­fahr­zeu­gen ein – und den Ein­satz von bis zu sechs die­sel­be­trie­be­nen Fahr­zeu­gen am Tag. „Uns ist sehr dar­an gele­gen, die Mobi­li­tät in Zukunft zu sichern“, beschreibt Pur­kar­tho­fer die Moti­va­ti­on hin­ter dem Pro­jekt.

Es wird immer vol­ler

Frank­furt will sich natür­lich nicht von Ham­burg abhän­gen las­sen. Die Not auf den eng gebau­ten Stra­ßen ist groß. Wäh­rend der Haupt­ver­kehrs­zei­ten wird das Par­ken in der hoch ver­dich­te­ten Frank­fur­ter Innen­stadt immer schwie­ri­ger. Mit stei­gen­dem E‑Commerce dürf­ten sich die Pro­ble­me wei­ter ver­schär­fen. 2010 leg­ten die Trans­port­fahr­zeu­ge in Frank­furt ins­ge­samt 534 Mio. km zurück, wie aus der Mach­bar­keits­stu­die des Fraun­ho­fer-Insti­tuts für Bau­phy­sik für die Stadt Frank­furt her­vor­geht.

Im März 2013 grün­de­ten die IHK Frank­furt und das House of Logi­stics and Mobi­li­ty (Holm) daher den Arbeits­kreis Frank­fur­ter Wirt­schafts­ver­keh­re, der aus einer Zukunfts­klau­sur der IHK Frank­furt am Main her­vor­ge­gan­gen ist. Eine der drei Fach­grup­pen heißt „Koope­ra­tio­nen auf der letz­ten Mei­le“. Dar­in ver­sam­meln sich Ver­tre­ter aus Wirt­schaft, Wis­sen­schaft, Ver­bän­den sowie der Stadt Frank­furt. Zwi­schen 2013 und 2014 tag­te die Fach­grup­pe mehr­mals und initi­ier­te klei­ne­re Pro­jek­te zur Daten­be­schaf­fung und Bewer­tung der Wirt­schafts­ver­keh­re in der Innen­stadt mit dem Holm als Pro­jekt­trä­ger. In der Stu­die „Opti­mie­rung des Wirt­schafts­ver­kehrs in der Frank­fur­ter Innen­stadt“ unter Lei­tung von Prof. Petra Schä­fer führ­ten Wis­sen­schaft­ler der Frank­furt Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sci­en­ces Ver­kehrs­er­he­bun­gen in einem Pilot­ge­biet der Frank­fur­ter Innen­stadt durch.

Im Dezem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res kon­kre­ti­sier­ten sich die Vor­stel­lun­gen auf der Fach­kon­fe­renz Last Mile Logi­stics im Holm. „Dabei ver­stärk­ten sich ers­te Über­le­gun­gen, das Mikro­de­pot, das UPS in Ham­burg pilo­tiert, auf eine Anwend­bar­keit in Frank­furt zu prü­fen“, sagt Bian­ca Mar­tin, Lei­te­rin Inhal­te & Pro­jek­te im Holm. Der ers­te Schritt führ­te im Anschluss direkt in die Frank­fur­ter Innen­stadt. Die Betei­lig­ten orga­ni­sier­ten eine City-Bege­hung für Stu­den­ten des Semes­ter­pro­jekts Last Mile City Logi­stics 2020 der Hoch­schu­le für Gestal­tung. „Wäh­rend der Bege­hung wur­den meh­re­re Stand­or­te für ein mög­li­ches Mikro­de­pot in die enge­re Wahl gezo­gen“, ergänzt Mar­tin.

Dis­ku­tiert wird dabei auch die Nut­zung von Park­häu­sern in der Innen­stadt als Stand­ort für die Con­tai­ner. „Wir haben uns gefragt, wie der Stra­ßen­raum aus­ge­stal­tet sein muss“, schil­dert Mar­tin die Über­le­gun­gen. Ähn­lich wie in Ham­burg soll auch in Frank­furt an den inner­städ­ti­schen Stand­or­ten die Umla­dung auf Elek­tro­fahr­rä­der und Elek­tro­au­tos erfol­gen.

Stu­den­ten desi­gnen Räder

Sehr kon­kret wird es bei dem Pro­jekt dage­gen schon an der Offen­ba­cher Hoch­schu­le für Gestal­tung, die mit dem Desi­gn­in­sti­tut für Mobi­li­tät und Logis­tik einen Able­ger im Holm hat. Das Semes­ter­pro­jekt hat ver­schie­de­ne Ent­wür­fe für die Gestal­tung der Car­go-Bikes und der Stra­ßen­räu­me gelie­fert. Die Stu­den­ten haben die Boxen mit Stoff bezo­gen, die Elek­tro­fahr­rä­der mit vier Rädern aus­ge­stat­tet.

Aber nicht nur die Stand­or­te sind Gegen­stand der Dis­kus­sio­nen: Es geht auch um das Modell einer Koope­ra­ti­on unter den Kep-Dienst­leis­tern. Das ist kei­ne ein­fa­che Bau­stel­le. „Die letz­te Mei­le weg­zu­ge­ben ist schwie­rig. Wer bei einem bestimm­ten Paket­dienst bestellt, will auch die Aus­lie­fe­rung der letz­ten Mei­le durch die­sen Dienst­leis­ter“, sagt Mar­tin.

Bis­lang sto­ßen die Trans­port­fahr­zeu­ge in Frank­furt jedes Jahr rund 345.000 t CO2 aus. Ande­ren Städ­ten geht es nicht bes­ser. In Paris wird daher auch schon die Sei­ne für den Trans­port der Waren genutzt, Ufer­zo­nen wer­den für Elek­tro­fahr­rä­der reser­viert. Mit dem Main ste­hen auch den Frank­fur­tern noch wei­te­re emis­si­ons- und staufreie Mög­lich­kei­ten offen.

Foto: UPS