Noch hat kein Mensch den Mars betreten. Doch geübt wird schon:
zum Beispiel in der Negev-Wüste in Israel.
Von Kerstin Zapp
Zwei Menschen in Raumanzügen vor einem orangefarbenen Seecontainer mit Gebrüder-Weiss-Logo, abgestellt in einer öden Landschaft? Keine Halluzination und kein verschlafener wissenschaftlicher Fortschritt, sondern ein Bild von der 13. Internationalen Mars-Analogmission Amadee-20, die im Herbst 2021 stattfand. Ort: die Wüste Negev in Israel. Dort prüften sechs speziell trainierte Astronautinnen und Astronauten isoliert von ihrer Umwelt Ausrüstung und Arbeitsabläufe für eine künftige Erforschung des Planeten.
Das Transport- und Logistikunternehmen Gebrüder Weiss mit Hauptsitz in Österreich hat das Projekt unterstützt und unter anderem das Missionsequipment in zwei Containern hin- und zurücktransportiert. Die Route verlief ausgehend vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) in Innsbruck über das Gebrüder-Weiss-Terminal Hall in Tirol bis nach Koper in Slowenien per Lkw. Dann ging es auf dem Seeweg weiter nach Ashdod in Israel und von dort wieder mit Lkw in die Wüste Negev. Der Hinweg nahm vier Wochen in Anspruch, der Rückweg dauerte etwas länger.
Aufwendige Deklaration
Bis zum Transport der Ausrüstung mit einem Gesamtgewicht von etwa drei Tonnen – darunter empfindliches Missionsequipment wie Mars-Rover, Drohnen und Weltraumanzüge sowie Material für Experimente von verschiedenen Universitäten und Forschern vergingen ab Anfrage durch das ÖWF zwei Jahre. Auch, weil die Mission aufgrund der Corona-Pandemie von 2020 auf 2021 verschoben werden musste. Die Vorbereitung bei Gebrüder Weiss dauerte etwa ein halbes Jahr. Herausfordernd war die Verzollung der Ausrüstung: Der Reisepass war ein Carnet ATA und alle Gefahrgüter – vor allem Batterien – waren für die Erstellung der Beförderungspapiere zu deklarieren sowie auf Verpackungs- und Trennvorschriften zu prüfen. Zudem waren zahlreiche Einzelanfertigungen zu bezeichnen. Eine weitere Besonderheit: Das Projekt haben vor allem drei Auszubildende betreut. Für schwierige Fragestellungen stand ihnen ein erfahrener Seefracht-Export-Experte zur Seite.
Das internationale Team der Astronautinnen und Astronauten hat mehr als 20 biologische, medizinische, psychologische, ingenieurwissenschaftliche, geologische und architektonische Experimente im Rahmen der Mission durchgeführt. Rund 200 Forschende aus 25 Ländern waren daran beteiligt. Das Team hat in einem Habitat am Ramon-Krater gelebt, einer Art Zeltstätte direkt neben den Containern. Dort befanden sich sowohl die persönlichen Räume wie Schlafkojen, Hygienemodul, Küche und Gemeinschaftsraum als auch ein Labor und Computerarbeitsplätze. Verlassen durften die Menschen das Habitat während der dreiwöchigen Isolationsphase nur in ihren Raumanzügen. Diese wiederum wogen jeweils rund 45 Kilogramm. Das entspricht etwa dem Gewicht der auf dem Mars erforderlichen 150 Kilogramm schweren Anzüge.
Starke Temperaturschwankungen, Sandstürme, eine extrem hohe Strahlenbelastung, kaum Sauerstoff und wahrscheinlich kein Trinkwasser: Der Mars ist kein ideales Urlaubsziel. Für den Astrobiologen Dr. Gernot Grömer, Mitbegründer und Direktor des ÖWF, sind Reisen auf den roten Planeten aus anderen Gründen interessant: Er möchte erforschen, „warum der Mars so ist, wie er jetzt ist, und ob es dort schon einmal Leben gab. Wir glauben nämlich, dass es Phasen gegeben hat, in denen der Mars zumindest theoretisch bewohnbar war.“
Nach seinen Angaben gibt es mehrere Raumfahrtagenturen weltweit, die sich bereits mit einer bemannten Mars-Mission beschäftigen: „Die Chinesen haben sich zum Beispiel 2033 als mögliches Flugdatum gesetzt.“ Und Elon Musk sage, er wolle innerhalb der nächsten zehn Jahre zum Mars fliegen. Diese Ankündigung ist laut Grömer ernst zu nehmen. Musk setze spektakuläre Technologieentwicklungen einfach um, weil er den nötigen wirtschaftlichen Muskel dafür habe. „Folgt man den Prognosen des ÖWF, dann können wir davon ausgehen, dass wir spätestens in dreißig Jahren die erste Mars-Expedition haben werden“, so Grömer.
Die Reise selbst würde etwa ein halbes Jahr dauern. Und wie kommt man wieder auf die Erde zurück? Grömer: „Aus der Atmosphäre auf dem Mars kann man CO2 in Kohlenstoff und Sauerstoff aufspalten und mit mitgebrachtem oder vor Ort produziertem Wasserstoff Raketentreibstoff machen. Dafür müsste man zunächst eine Cargo-Mission ohne Menschen an Bord hinschicken, die vor Ort ein Rückkehr-Raumschiff mit leeren Treibstofftanks landet. Einige Monate lang kann dann Atmosphäre verarbeitet werden, bis die Treibstofftanks gefüllt sind. Dann kann ein kleineres, schnelleres und massearmes Raumschiff mit Besatzung kommen.“
3D-Drucker unverzichtbar
Davon abgesehen sind auch diverse Fragen zur Ausrüstung der Mission – von Nahrung bis Technik – noch nicht beantwortet. Was, wenn wichtige Teile kaputtgehen? „Aus meiner Sicht wäre es ein fataler Fehler, ohne 3D-Drucker auf den Mars zu fliegen. Das nächste Ersatzteillager ist im Worst Case schließlich 380 Millionen Kilometer weit weg.“
Wolfram Senger-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Gebrüder Weiss, ist sich sicher, dass das Projekt „uns einen Blick auf die logistischen Herausforderungen der Raumfahrt eröffnet und einen gewissen Einblick vermittelt, welche neuen Sphären die Anforderungen an Mobilität in Zukunft erreichen könnten.“ Grömer ist überzeugt: „Der erste Mensch, der den Mars betreten wird, ist schon geboren.“ Ohne logistischen Pioniergeist in der Vorbereitung wird dieser Schritt für ihn allerdings nicht möglich sein.
Österreichisches Weltraum Forum
Das ÖWF forscht interdisziplinär gemeinsam mit internationalen Partnern an Explorationsstrategien für künftige bemannte Mars-Expeditionen. Es führt seit 2006 analoge Mars-Missionsexpeditionen durch. Alle zwei bis drei Jahre wird eine neue Feldmission auf den Erkenntnissen aus ihren Vorgängern aufgebaut. https://oewf.org/amadee-programm/