Ohne Verpackung geht’s im Onlinehandel nicht. Aber es gibt verpackungsärmere und plastikfreie Versandmöglichkeiten.
Von Nicole de Jong
Produkte im Internet zu bestellen, ist praktisch – wenn da nicht das Müllproblem wäre. Oft bleiben nach dem Auspacken Berge von Kartonagen, Kunststofffolien, Plastiktüten und Füllmaterial zurück. Doch immer mehr Onlinehändler wollen der Müll Flut Herr werden und suchen nach umweltfreundlichen Lösungen. So hat kürzlich das Hamburger Versandhaus Otto mitgeteilt, ausgewählte Online-Bestellungen in vollständig kompostierbaren und biologisch abbaubaren Versandtüten zu verschicken. Diese bestehen aus Graspapier und einem biobasierten Plastikersatz, der aus Pflanzenabfall hergestellt wird.
Otto hat die Tüten gemeinsam mit dem Hamburger Start-up Traceless entwickelt mit dem gemeinsamen Ziel, das Plastikproblem der Welt zu lösen. „Und das mit unserer ganzheitlichen, kompostierbaren Materialalternative zu herkömmlichem Plastik und Bioplastik – dem Traceless Material“, erklärt Gründerin Dr. Anne Lamp. Die Tüten sollen blickdicht, wasserbeständig und reißfest sein – Eigenschaften, die herkömmliche Plastikbeutel aufweisen und die deshalb vor allem beim Versand von Textilien verwendet werden.
„In einem ersten Pilottest werden wir 5.000 Versandtüten an alle Kunden verschicken, die in dem Testzeitraum eine Bestellung tätigen“, sagt Karla Jabben, Verpackungsexpertin im Otto-Nachhaltigkeitsteam. Ziel sei es, herauszufinden, ob die Empfänger die Besonderheit des Materials verstehen und ob die Verpackung den Artikel schützt. „Idealerweise landen Produkte aus Traceless-Material natürlich im organischen Abfall“, ergänzt Traceless-Mitgründerin Johanna Baare.
Nutzen will der Versandhändler die Graspapierverpackung vor allem für Textilien und robuste Kleinartikel. „Es sollte sich möglichst wenig Luft in der Tüte befinden, damit der verfügbare Stauraum beim Transport bestmöglich genutzt werden kann“, fügt Jabben hinzu. Weiterhin ist wichtig, dass die neue Verpackung auf den technischen Anlagen befördert werden kann. Ist sie schließlich heil bei den Kunden angekommen, sollte sie sich leicht öffnen, und im Falle einer Retoure, natürlich auch wieder verschließen lassen. Bleibt nun abzuwarten, welche Erkenntnisse Otto aus dem Test zieht. „Natürlich hoffen wir, dass die Traceless-Tüten unseren hohen Anforderungen gewachsen sind “, betont Jabben.
Beim Anbieter von Bio-Müsli, mymuesli.com, steht Nachhaltigkeit von Anfang an im Fokus. Dabei nehmen emissions- und verpackungsärmere Versandmöglichkeiten einen wichtigen Stellenwert ein. Um seinen Versandbereich nachhaltiger aufzustellen, hat das Passauer Unternehmen 2020/21 das gesamte Verpackungssystem analysiert und neu aufgestellt. Es stellte sich heraus, dass der bisherige händische Versand von Kundenbestellungen mit vorgefertigten Kartonagen und Klebeband für mymuesli arbeits‑, material- und zeitintensiv gewesen ist. Die Mitarbeiter hatten wenig Möglichkeiten, flexibel auf kundenindividuelle Bestellumfänge einzugehen.
Gleichzeitig suchte mymuesli nach neuen Wegen, die Beschädigungen an den Produktverpackungen während des Liefervorgangs zu reduzieren, aber dabei so wenig Plastik wie möglich zu verwenden. Die Verpackungen sollen zu 100 Prozent recycelbar werden und aus möglichst wenig Material bestehen und trotzdem maximale Funktionalität aufweisen. Auf Anraten des Verpackungsspezialisten Smurfit Kappa hat sich das Unternehmen entschieden, in eine Verpackungsmaschine für Endloswellpappe zu investieren, die passgenaue Verpackungen herstellt. Schöner Nebeneffekt: Diese verringern auch das Risiko, Produkte beim Transport zu beschädigen.
Die durch den Einsatz der Maschine erzielten Einsparungen sind eigenen Aussagen zufolge erheblich: 20 Prozent Verpackungsmaterial für den Karton und nicht mehr benötigtes Füllmaterial werden vermieden. Darüber hinaus kann der Bio-Müsli-Hersteller den anfallenden Wellpappenverschnitt zur Produktion neuer Wellpappe zurück ins Smurfit-Kappa-Werk nach Feucht bringen, was zu einer weiteren Materialeinsparung von rund 30 Prozent führt. Durch die Volumenreduzierung optimal angepasster Paketgrößen an den Versandinhalt passen demzufolge zudem bis zu 30 Prozent mehr Pakete in eine Lkw-Ladung. Die neuen Kartons lassen sich über eine Perforation öffnen, dadurch kann das Unternehmen auf 13.500 Klebebandrollen pro Jahr verzichten. Keine schlechte Bilanz.
Einen anderen Weg geht der Schweizer Onlinehändler Galaxus. Er verschickt seit ein paar Monaten die Bestellungen seiner Kunden in braunen statt weißen Kartons. Klingt eher nach einer Branding- als nach einer Umweltmaßnahme. Statt auf gebleichtes Recyclingpapier setzt das Unternehmen nun aber auf unbehandeltes Recyclingpapier. Bis auf ein Schachtelformat bestehen Unternehmensangaben zufolge nun alle Versandverpackungen aus Recyclingpapier.
Einzig beim größten Faltkarton besteht die äußerste Schicht nach wie vor aus sogenanntem Kraftlinerpapier, einer besonders robusten Papiersorte, für die neue Holzfasern nötig sind. Somit arbeite Galaxus aktuell mit einer Quote von rund 95 Prozent Recyclingpapier. Um ein Vielfaches größer sei allerdings der Einfluss des Transportwegs. Statt aus Norddeutschland und Skandinavien kommt das Papier nunmehr aus Fabriken in Süddeutschland. „Dank unseren neuen Schachteln und kürzeren Lieferwegen vermeiden wir allein dieses Jahr voraussichtlich über 200 Tonnen CO2-Ausstoß“, sagt Galaxus-Sprecher Alex Hämmerli. Außerdem sind bei den Faltkartons zusätzliche sogenannte Höhenriller dazugekommen, die es ermöglichen, die Paketformate in unterschiedlichen Höhen zu falten. Dadurch bleibt weniger Hohlraum in den Paketen. „Wir sparen so Füllmaterial und Platz beim Versand. Auch das kommt der Umwelt zugute“, fügt er hinzu. Das zeigt: Ohne Verpackung geht’s im Onlinehandel zwar nicht, aber schon einfache Veränderungen können eine Menge bewirken.