Weil Fachkräfte in der Logistik knapp sind, gehen Arbeitgeber neue Wege. Sie schauen sich nach Ausbildungskandidaten aus dem Ausland um. Einer davon ist Abdennabi Mawak.
von Tim-Oliver Frische
Acht Monate lang hat Abdennabi Mawak in Marokko eisern Deutsch gelernt, zeitweise mit einer Deutschen, die in Marokko lebt. „So konnte ich B2 bestehen“, sagt er. Er hatte ein klares Ziel vor Augen: eine Ausbildung in Deutschland.
Sein Ziel gefunden hat Mawak bei Reber Logistik. Der europaweit tätige Möbel- und Kontraktlogistikspezialist aus Rheinland-Pfalz, der bundesweit 600 Mitarbeiter an sechs Standorten beschäftigt, baut sein Handlungsfeld in Deutschland mit Riesenschritten aus und sucht händeringend Fachkräfte.
„Natürlich ist der Fachkräftemangel auch bei uns ein Thema“, beschreibt Isabelle Kauffeldt, Personalleiterin bei Reber Logistik die Situation. Alle Ausbildungsplätze eines Jahrgangs belegen zu können, sei mittlerweile zur echten Herausforderung geworden.
Seit rund drei Jahren nutzt die HR-Expertin die Möglichkeit des internationalen Recruitings. „Wir haben uns entschlossen, bei der Veröffentlichung unserer Ausbildungsplätze Portale zu nutzen, die unsere Anzeigen international streuen. Seitdem bekommen wir sehr viele Bewerbungen“, freut sich Kauffeldt, die sich mittlerweile bestens mit beschleunigten Fachkräfteverfahren auskennt.
Im Mai 2021 hatte der Marokkaner bei Reber Logistik sein Vorstellungsgespräch für eine Ausbildung zum Fachlageristen via Zoom, am 1. August 2022 seinen ersten Arbeitstag am Standort Melle. „Man muss viele Papiere und das Visum besorgen. Aber bei allem hat mir Frau Kauffeldt geholfen. Jetzt kann ich lernen und arbeiten,“ erzählt Mawak, der in einer kleinen Stadt in Marokko aufgewachsen ist.
Seine Geschichte sagt viel über ihn und vielmehr noch über seinen Willen aus, es in Deutschland zu schaffen. Schon mit 13 Jahren war es für ihn logisch, dass er neben der Schule auch zum Unterhalt der Familie beiträgt. „Ich bin der älteste von vier Geschwistern, mein Vater hatte nicht viel Geld verdient und so habe ich früh angefangen zu arbeiten“, sagt er. In seiner Kultur sei es normal, dass man als Kind seine Eltern unterstütze.
Vor zehn Jahren hat Mawak sein Abitur gemacht und angefangen, an der Universität Geografie zu studieren. Als sein Vater krank wurde, musste er sich um die Familie kümmern. „Ich habe eine Ausbildung als Elektromechaniker gemacht und war auf Montage.“ Dennoch, so meint er, sei es in Marokko wirklich schwierig, eine gute Arbeit zu finden. Als Jugendlicher hat er mit dem Tauchen nach Rotalgen viel Geld verdient, „aber das ist gefährlich und kein richtiger Beruf“.
Als er seine Freundin kennenlernte, war für ihn klar: „Ich möchte zu ihr nach Deutschland.“ Mawak spricht langsam und konzentriert, seine Grammatik ist perfekt und sein Wortschatz wächst mit jedem Tag. Bestimmt 2000 Bewerbungen habe er geschrieben, aber immer lautete die Antwort: „Leider nein.“Tragisch.
„Viele Arbeitgeber scheuen sich noch, Fachkräfte im Ausland zu suchen“, berichtet Isabelle Kauffeldt. Doch so ganz nachvollziehen kann sie das nicht: „Wer sich hier bewirbt, ist motiviert.“ Natürlich sei das Prozedere langwieriger. „Wenn sich bei uns ein Azubi aus Deutschland bewirbt, die Vorstellung gut läuft, müssen wir nur einen Ausbildungsvertrag zuschicken und schon kann es losgehen. Das ist bei einem Auszubildenden aus einem Nicht-EU-Land natürlich etwas komplizierter“, erläutert Kauffeldt.
Sprachkenntnisse entscheidend
Mit Bewerbern aus dem Ausland führt sie Vorstellungsgespräche via Zoom. „Dabei achte ich natürlich besonders auf die Sprachkenntnisse, denn die sind für die Berufsschule entscheidend.“ Dem kann Mawak nur beipflichten: „Die Lehrer machen bei den Klassenarbeiten keine Unterschiede“. Und er mache auch grundsätzlich nicht gern Fehler, weder in der Schule noch bei der Arbeit, erklärt der 30-Jährige. Sein Ziel sind gute Noten, um die Ausbildung verlängern zu können und Fachkraft für Lagerlogistik zu werden.
In Melle arbeitet er zurzeit im Bereich Möbellogistik. „Wir liefern weltweit“, sagt Mawak und schickt eine Küche auf die Reise nach Madagaskar. Obwohl er sehr bescheiden auftritt, bemerkt man seinen Stolz. Er ist froh, in Deutschland angekommen zu sein. Endlich.
Und dass es Abdennabi Mawak mit seiner Ausbildung gut getroffen hat, ist sogar offiziell bestätigt: Am 24. Februar hat Reber Logistik vom Zentrum für Arbeitgeberattraktivität das Siegel „Top Job“ erhalten.