Für Gärtnereien ist der Hamburger Großmarkt der wichtigste Absatzmarkt. Sowohl Großhändler und kleinere Stammabnehmer als auch gewerbliche Gelegenheitskäufer gehören zu den Kunden.
Von Kerstin Zapp
Auch wenn die Nächte von Christian Meyer auf dem Hamburger Großmarkt sehr durchgetaktet sind: Um 3 Uhr morgens findet er meist Zeit für eine kurze Pause. „Ich esse dann gern eine Currywurst oder eine Bratwurst“, erzählt der Inhaber der Hamburger Gemüsegärtnerei Wiegand & Christian Meyer.
In der Haupterntezeit ab Ende April bis Mitte Dezember hat er zwei solche Marktnächte pro Woche, jeweils von Dienstag auf Mittwoch und von Donnerstag auf Freitag. Um 3 Uhr liegen dann bereits vier geschäftige Stunden auf dem Großmarkt hinter ihm, obwohl die Stände auf der Erzeugerfläche offiziell erst um diese Zeit öffnen.
Gegen 22:20 Uhr ist er gestern mit seinem voll beladenen 7,5‑Tonner zum Großmarkt gestartet. Auf der Ladefläche stapelten sich gelbe Pfandkisten mit seiner Ernte, je nach Saison zum Beispiel Salat, Kohl, Gurken, Tomaten, Mangold, Blumenkohl, Brokkoli und Sellerie. Meyer legt viel Wert darauf, seinen Kunden neben klassischen auch einige exotischere Gemüse- und Salatsorten anzubieten. So gibt es etwa roten Kopf- und Römersalat sowie Eisfrisée. Überdies gehören Zitronen- und Netzgurken, Ananas- und Tigertomaten, orange- und lilafarbener Blumenkohl sowie lilafarbener Bimi, auch als Sprossbrokkoli bekannt, zum Sortiment. „Diese Bandbreite ermöglicht eine hohe Kundenbindung, da die Kunden bei uns viel bestellen können.“
Für die 13 Kilometer bis nach Hammerbrook braucht Meyer rund 20 Minuten. Dort hat der Großmarkt seit mehr als 60 Jahren seinen Sitz. Pro Jahr werden von den 330 Marktfirmen auf dem rund 27 Hektar großen Gelände unweit der Deichtorhallen rund 1,5 Millionen Tonnen Waren (Gemüse, Obst und Blumen) mit einem Gesamtwert von zwei Milliarden Euro umgeschlagen.
„Als erstes beliefere ich nach der Ankunft die Großhändler, die zum Beispiel die Gastronomie, Schulen und Krankenhäuser versorgen und hier eigene Stände haben“, erzählt der ausgebildete Gärtner mit Meisterabschluss. Diese haben vorbestellt, manchmal mit extrem engen Zeitfenstern von nur etwa einer Stunde zwischen Bestellung und Lieferzeitwunsch. „Die Großhändler fahre ich auf dem Gelände einzeln an, zum Teil bis an die Rampe oder bis an die Hebebühne.“ 20 bis 25 Prozent seiner Ernte hat er danach bereits verkauft.
Zwischen 23:30 Uhr und Mitternacht lädt Meyer seine Waren am eigenen Verkaufsstand ab. Teile der vorbestellten Ware sind dann schon kommissioniert. Aber es bleiben noch genügend kleinere Bestellungen – von einer bis zu 20 Kisten – für die das Gemüse nun sortiert werden muss. Zugleich kommt erste Laufkundschaft, um die Ware in Augenschein zu nehmen, Fragen zu stellen und Preise zu verhandeln. „Dabei ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten“, sagt Meyer. Meist hat er aber ausreichend Ware dabei.
Etwa 10 bis 20 Prozent der Waren werden schließlich an diese Einkäufer verkauft, die zwischen 23:30 Uhr und 6 Uhr unterwegs sind, aber erst ab 3 Uhr bei der Erzeugergemeinschaft, zu der auch Meyer gehört, kaufen können. Kommen Kunden spät, steht eventuell nicht mehr das gesamte Sortiment zur Verfügung. „Wir legen Wert darauf, dass alles frisch ist und wir nicht zu viel ernten“, unterstreicht er.
Nach seinem Imbiss ist es dann auch Zeit, den Lkw wieder vom Parkplatz außerhalb der Markthalle zu holen, das Leergut zu laden, zur Reinigung zum Lager zu bringen und sich dort mit bereits gereinigten Pfandkisten zu bevorraten. Die nächsten Stunden nutzt Meyer parallel zum Verkauf an die Laufkundschaft auch für Büroarbeit. „Ich habe am Stand einen kleinen Arbeitsplatz, wo ich zum Beispiel Rechnungen schreiben und auch gleich ausdrucken kann.“
Nach Hause fährt er, „wenn nichts mehr da ist.“ In der Regel ist er zwischen 6:30 und 7 Uhr daheim, kurz nachdem seine Frau zu ihrem Job gefahren ist und gerade rechtzeitig, um die beiden Kinder in die Schule zu bringen. Wenn möglich versucht er anschließend, bis 9 Uhr zu schlafen.
Viel Zeit zum Ausruhen bleibt an Markttagen allerdings nicht: Schließlich müssen neben 20 Hektar Freifläche auch 5.000 Quadratmeter unter Glas- und Folientunnel sowie im Gewächshaus bewirtschaftet werden. „Das ist schon sehr viel Arbeit“, räumt Meyer ein, der die Gärtnerei bereits in mindestens vierter Generation – ganz genau weiß er das nicht – und seit dem Tod seines Vaters 2023 als Einzelunternehmer betreibt.
Stolz ist Meyer unter anderem auf seinen Ernteanhänger, der im Sommer bei der Salaternte zum Einsatz kommt. „Der Erntewagen wird vom Trecker ferngesteuert, das haben wir selbst gebaut“, so Meyer. „Wenn unsere vier bis fünf Saisonarbeitskräfte den erntereifen Salat schneiden, können sie die Richtung und die Geschwindigkeit des Gespanns regeln.“ Der Inhaber selbst sorgt dafür, dass der Salatkopf von beiden Seiten gewaschen wird. „Durch das sofortige Abwaschen der Salatmilch bleibt ein Salat mehrere Tage länger frisch.“
Die Salate werden gleich im Anhänger in Kisten gepackt. So kommen die Kisten nicht mit der Erde in Kontakt und bleiben sauber. „Das mache ich selbst, damit die Kisten immer so aussehen, wie ich mir das vorstelle, und alle Köpfe gleich groß sind“, sagt Meyer. Zudem müssten „je nach Kunde mal acht, mal neun Köpfe in die Kiste oder sieben große und zwei kleinere.“ Nach der Ernte gehen die Kisten sofort ins Kühlhaus „Salate werden bei uns nur frisch auf Bestellung geerntet, es gibt keine Lagerware.“ Im Gewächshaus, wo Tomaten und Gurken angebaut werden, kann die Ernte auf einem Schienensystem zwischen den Tomatenstauden mit Rollbahnwagen transportiert werden. Eine Erleichterung der Handarbeit.
Sein Beruf verlangt Meyer einiges ab: „Das ist schon sehr viel Arbeit, rein wirtschaftlich lohnt sich das nicht“, räumt er ein. Am anstrengendsten sei dabei die viele und immer weiter zunehmende Bürokratie. „Ich könnte sicher mit einem anderen Job ein entspannteres Leben haben.“ Wirklich in Betracht gezogen hat Meyer das aber nie: „Wir machen das hier aus Überzeugung und mit viel Herz.“ (zp/fh)