Hafsatu Rakiatu Sesay ist Absolventin der ersten Kohorte der Afrikanischen Drohnen- und Datenakademie in Malawi und ein echter „Tekkie“. Heute arbeitet sie für die Regierung in Sierra Leone.
Von Désiree Schneider
Hafsatu Rakiatu Sesay ist ein „ganz normales Mädchen aus Sierra Leone“, wie sie sich selbst beschreibt. Ihre Freizeit verbringt sie gern mit ihren Freunden, die sie Rakie nennen. Sie geht gern aus und trinkt Cocktails oder verfolgt die neuesten technischen Entwicklungen und Innovationen: „Wenn ein neues Smartphone erscheint, finde ich mich heute noch manchmal auf Youtube wieder und checke die Kommentare“, erzählt Sesay belustigt. „Es ist so interessant, zu beobachten, wie die Welt wächst, sich immer weiter vernetzt und was sich die Menschen ausdenken“, sagt die 25-Jährige. Sie sei schon immer ein „Tekkie“ gewesen. Darum hat sie auch Maschinenbau an der Universität von Sierra Leone studiert. Während ihres Studiums hat sie ein Praktikum bei der Guam Valley Water Company absolviert und später bei Finic, einem Agri-Tech-Unternehmen, gearbeitet. Nebenbei hat sie sich als Web- und Grafikdesignerin beschäftigt. Heute ist sie die Technische Leiterin für unbemannte Fluggeräte bei der Direktion für Wissenschaft, Technologie und Innovation der Regierung in Sierra Leone und erlebt die neuesten technischen Entwicklungen im Bereich des unbemannten Flugverkehrs hautnah. Sesay ist einer der wenigen Menschen in Afrika, die wissen, wie man mit Drohnen umgeht.
Die Daten sind das Wichtigste
Die Regierung in Sierra Leone hat im November 2019 zusammen mit dem UNO-Kinderhilfswerk Unicef einen Drohnenkorridor nahe der Hauptstadt Freetown eröffnet, aus der Sesay kommt. Der Korridor ist nach Malawi der zweite seiner Art in Afrika. Hier können Unternehmen vor allem Drohnen für medizinische Lieferungen, Notfalleinsätze, Agroforstwirtschaft oder für die geografische Kartierung testen. Alle Erkenntnisse müssen später mit der Regierung geteilt werden. Sesays Aufgabe ist es unter anderem, Unternehmen und Start-ups aus aller Welt auf den Drohnenkorridor und die Testmöglichkeiten aufmerksam zu machen: „Momentan haben wir verschiedene Anwendungen des Drohneneinsatzes, die bis Ende 2021 im Drohnenkorridor getestet werden sollen, wie zum Beispiel die Lieferung medizinischer Hilfsgüter und die Kartierung der Landwirtschaft“, sagt die Leiterin der Drohnentechnik. So sehr Sesay auch die Technik interessiert, noch viel wichtiger und spannender sei jedoch die Auswertung der Drohnendaten: „Die Drohne ist nur das Equipment. Man benutzt sie, um das zu bekommen, was man wirklich braucht: die Daten. Der wahre Nutzen ist dann, wie diese Daten deine Arbeit und deine Arbeitsabläufe präzisieren, effizienter machen oder beschleunigen.“ Ihr Ziel ist es, diese Daten für Maschinenbauunternehmen und Regierungssektoren zur Verfügung zu stellen und aufzuarbeiten, damit diese fundiertere Entscheidungen für eine bessere Zukunft treffen können. Das macht sie mit ihrem jetzigen Job bei der Regierung und auch mit ihrem eigenen Start-up, das sie kurz nach ihrem Abschluss an der Afrikanischen Daten- und Drohnenakademie (ADDA) in Malawi im März 2020 gegründet hat.
Ein eigenes Start-up
Das junge Drohnen-Dienstleistungsunternehmen heißt Airtech Limited und fokussiert sich auf die Vermessung, Kartierung, Überwachung und GIS-Datenanalyse für die Bereiche Infrastruktur/Bau, Bergbau und Umwelt. „Wir machen aber auch Luftaufnahmen für Menschen, die einfach nur eine Bemessung oder eine topographische Karte ihres Grundstücks haben wollen“, so Sesay. Momentan sei das Unternehmen noch in den Kinderschuhen, doch Sesay ist optimistisch. Das einzige, was ihr bei der Arbeit mit Drohnen Sorgen macht, sind die Materialkosten. Den Umgang mit Drohnen hat die 25-Jährige an der ADDA in einem dreimonatigen, durch Unicef finanzierten Master-Studiengang erlernt. Sie war eine der 26 Absolventinnen und Absolventen der ersten Kohorte. „Ich habe gelernt, wie man Drohnen von Grund auf neu baut, wie man sie fliegt, Daten sammelt, analysiert und verwendet und das Warum und Wie von Drohnen kennengelernt“, sagt Sesay. Zuvor hat sie für ein Ingenieurbüro namens Track Your Build gearbeitet, das Drohnen unter anderem zur Überwachung nutzte. Ihr damaliger Chef habe sie auf die ADDA aufmerksam gemacht.
Die Zeit an der Akademie
Sowohl das Bauen einer Drohne als auch die Datenanalyse haben ihr am meisten Spaß gemacht. Vor dem Kurs sei sie mehr ein visueller Lerntyp gewesen, nun denke sie viel analytischer: „Drei Monate zusammen mit Menschen verschiedener Nationalitäten aus ganz Afrika zu verbringen war wie ein persönliches „Big-Brother-Bootcamp“. Die ADDA hat mein Leben und meine Perspektiven verändert – inhaltlich und zwischenmenschlich“, erzählt die stolze Absolventin. Sie selbst ist das jüngste von vier Kindern ihrer Familie. Ihr Vater ist pensionierter IT-Manager, ihre Mutter Vorstandsassistentin bei der Bank von Sierra Leone. Sie hätten sie immer bei allem unterstützt: „Egal, ob ich Tennis oder Klavier probieren wollte, meine Eltern haben mich immer ermutigt“, erinnert sich die junge IT-Expertin. Verglichen mit dem Durchschnitt in Sierra Leone sei sie privilegiert aufgewachsen. Die meisten hätten sich die ADDA ohne ein Stipendium nicht leisten können – sie auch nicht. Dabei bräuchte Afrika gerade mehr dieser praxisnahen Trainingszentren für junge Afrikanerinnen und Afrikaner, die ADDA-Alumni seien die besten Beispiele dafür, dass sich solche Investitionen lohnen. Sesay will später gern bei der Katastrophenhilfe mit Drohnen arbeiten, insbesondere bei Überschwemmungen und Erdrutschen, die in Sierra Leone sehr häufig vorkommen. Außerdem möchte sie mehr sierra-leonische Frauen in die Drohnenarbeit und allgemein in den Technologie- und Innovationsraum bringen. Die Leidenschaft treibt den „Tekkie“ dabei an: „Es ist unglaublich, wie viel so eine Technologie bewegen kann.“