Die Ostfriesischen Inseln im Wattenmeer liegen jeweils nur 4 bis 10 Kilometer von der Küste entfernt. Sie sind bequem mit Fähren zu erreichen, die auch die Versorgung sichern.
Von Nicole de Jong
Der Spruch „Bei jeder Nordseeinsel belagern lustige Seemöwen Wattwürmer“ dient nicht nur norddeutschen Kindern als Merkhilfe für die Reihenfolge der sieben Ostfriesischen Inseln von West nach Ost. Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge sind beliebte Urlaubsinseln der Deutschen. Ehemals dominiert vom Fischfang, konzentriert sich die Wirtschaft aller Inseln nun nahezu ausschließlich auf den Tourismus.
Sie haben herrliche Sandstrände und bieten Entspannung, Natur und viel Spaß für die ganze Familie, etwa bei der Fahrt mit Pferdekutschen oder Elektrokarren, die auf den zum größten Teil autofreien Inseln als Fortbewegungsmittel eingesetzt werden. Die Zahl der Besucher übersteigt die Zahl der Menschen, die permanent dort leben, um ein Vielfaches: Auf allen sieben gibt es insgesamt rund 17.000 Bewohner – vor der Pandemie kamen mitunter mehr als 900.000 Touristen im Jahr. Die Gäste lassen ihre Autos während des Urlaubs meist am Fähranleger auf dem Festland stehen. Erholung von der Hektik des Alltags ist so gewährleistet.
„Wir transportieren neben Passagieren alles für den täglichen Bedarf per Fähre nach Borkum, also Lebensmittel, Medikamente und Post, aber auch den Müll zurück“, sagt Corina Habben von der Reederei Aktien-Gesellschaft EMS, die den Schiffsliniendienst von Emden und Eemshaven zur Nordseeinsel Borkum betreibt. Die Autofähren fahren die ostfriesische Nordseeinsel mehrmals täglich an, mit an Bord immer auch Konsumgüter wie Bekleidung, Schuhe und Tüddelkrams, wie es norddeutsch heißt, für die örtlichen Geschäfte. Da die rund 5.000 Insulaner gerne online bestellen, kommen noch diverse Paketsendungen dazu. Zum Saisonstart werden in der Regel zudem einige neue Strandkörbe geliefert. Aber auch Baustoffe und Möbel werden auf die Insel befördert.
Unterschiedliche Verteildienste
Sobald die Schiffe anlegen, übernimmt das Tochterunternehmen Habich und Goth. Es verteilt die Waren, die als lose, unbegleitete Fracht aufgegeben werden, mit (Kühl-)Lkw oder Sprintern auf Borkum an die Geschäfte, Lebensmittelläden, Restaurants und Apotheken sowie die online bestellten Waren an die Privathaushalte. Borkum ist keine autofreie Insel, Besucher müssen aber im Sommer zur Hochsaison ihr Auto im Kern der Stadt Borkum stehen lassen. Sollten beispielsweise mal Medikamente dringend benötigt werden, übernimmt wiederum die Reederei-Tochtergesellschaft Ostfriesischer Flugdienst (OFD), die von Emden aus Borkum in gerade mal 15 Flugminuten erreicht.
Die Versorgung der Insel ist auch bei stürmischem Wetter nicht in Gefahr. „Aufgrund der Strecke nach Borkum, die deutlich länger ist als die zu den anderen Inseln, sind unsere Schiffe größer, haben mehr Tiefgang und sind somit bei Sturm etwas widerstandsfähiger“, erzählt Habben. Es gebe kaum Tage, an denen die Reederei nicht fahre, auch wenn es vorkomme, dass bei Sturm mal eine Verbindung ausfalle. Meist reiche es aber, Wind oder Hochwasserlagen durch Fahrplanverschiebungen auszuweichen. „Wir haben uns im Laufe der Jahre immer mehr spezialisiert und bauen derzeit auf Borkum ein neues Logistikzentrum, um Waren noch gezielter und effizienter umschlagen zu können“, sagt Habben. Bis 2019 sei die Besucherzahl stetig gewachsen, sodass die Verteilung, wie sie bislang geschehe, nicht mehr zeitgemäß sei. Hinzu komme, dass die Gütermengen stiegen: „Die Leute verbrauchen mehr als früher.“ Und so wundert es nicht, dass täglich mehrere Tonnen Fracht nach Borkum gebracht werden. In umgekehrter Richtung werde neben Müll auch mal eine Ladung Schrott oder sonstige nicht mehr benötigte Güter aufs Festland mitgenommen.
Die Inselspedition Lüders Logistik mit neun Mitarbeitenden ist Partner, wenn es um den Transport von Waren und Reisegepäck auf die autofreie Insel Spiekeroog geht, wo dauerhaft 800 Menschen leben. „Wir transportieren so gut wie alles, was auf die Insel kommt oder sie verlässt, außer Müll“, sagt Inhaber und Geschäftsführer Frederik Lüders. In der Hauptsaison seien das Gepäck, Fracht, Lebensmittel sowie Paketsendungen von Hermes, DPD, GLS, UPS und DHL Express, in der Nebensaison zusätzlich noch Baumaterialien – alles in allem mehrere Tonnen täglich. „Von der Bodenplatte bis zu Dachziegeln läuft alles über uns“, fügt er hinzu.
Andere Inseln, ähnliche Versorgungskonzepte
Lüders Logistik arbeitet eng mit dem Nordseebad Spiekeroog zusammen, das die Personenfähren sowie eine Frachtfähre betreibt, die von montags bis freitags fährt. Die Fährzeiten variieren aufgrund des Tidenhubs täglich. Die Arbeitszeit beginnt daher in der einen Woche um 6 Uhr morgens, in einer anderen erst um 11 Uhr. Die Verteilung der Waren – darunter rund 1.000 Koffer für bis zu 700 Urlauber, die jeden Tag mit der Fähre ankommen – erledigt das Unternehmen mit kleinen Elektrofahrzeugen. Beliefert werden zudem gewerbliche Kunden aller Art. Mehrmals täglich stellen die Lüders-Logistik-Angestellten eilige Sendungen zu. Dies gilt sowohl für Expresssendungen als auch für dringend benötigte Arzneimittel. Private Kunden bekommen ihre Paketsendungen ebenfalls an die Haustür geliefert. Und Lüders wickelt auch Umzüge oder Neumöbeltransporte ab.
Die Versorgung der anderen Inseln funktioniert ähnlich: Das meiste, was für den täglichen Bedarf benötigt wird, kommt mit den Fähren an. Reine Frachtfähren, die auch große Maschinen, Container und Heizöl befördern können, gibt es etwa auf der Route zwischen Neßmersiel und Baltrum der Baltrum-Linie oder auch von und nach Juist und Norderney mit der Reederei Norden-Frisia. Wenn es mal richtig eilig ist, wird ein Flugzeug oder Schnellboot eingesetzt.
Den Fährverkehr zwischen Inseln und Festland sichert Niedersachsen Ports. Das Unternehmen betreibt unter anderem sieben Inselversorgungshäfen der niedersächsischen Küstenregion. Darunter sind der Hafen in Norddeich, der als Ausgangspunkt der Fährlinien nach Norderney und Juist dient, sowie Bensersiel, wo die Fähren nach Langeoog starten. Die Inselhäfen Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge stellen mit über 1 Million Tonnen Frachtumschlag, 8,2 Millionen Personenbeförderungen und rund 35.000 Schiffsanläufen pro Jahr einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor in der Region Ostfriesland dar. Meist ganz entspannt.