Unbe­mannt unter und über dem Boden unter­wegs

Jules Ver­ne hät­te sei­ne Freu­de an den drei Inno­va­tio­nen Car­go sous ter­rain (CST), Hyper­loop und Trans­port Sys­tem Bögl (TSB). Doch schaf­fen sie in abseh­ba­rer Zeit den Sprung in die Logis­tik­rea­li­tät? Die Zwi­schen­stän­de.

Von Kurt Metz

Anstoß zum Trans­port­sys­tem Car­go sous ter­rain (CST) gab nach der Jahr­tau­send­wen­de die schwie­ri­ger wer­den­de Ver­sor­gung von Waren­häu­sern in den meist his­to­risch gewach­se­nen Stadt­zen­tren der Schweiz. Das unbe­mann­te, auto­ma­ti­sche, unter­ir­di­sche und rund um die Uhr in Betrieb ste­hen­de För­der­sys­tem soll ab 2031 Palet­ten und spe­zi­ell ent­wor­fe­ne Trans­port­be­häl­ter in einem drei­spu­ri­gen Tun­nel auf Rädern und elek­trisch ange­trie­ben von Hub zu Hub mit kon­ti­nu­ier­lich 30 Stun­den­ki­lo­me­tern brin­gen. An der Tun­nel­de­cke ist eine schnel­le­re Paket­hän­ge­bahn für klei­ne­re Güter vor­ge­se­hen.

Ein Blick auf die Anfän­ge: Zunächst grün­de­te sich ein För­der­ver­ein zur Siche­rung der Ver­sor­gung von Ein­zel han­dels­un­ter­neh­men. Ihm gehör­ten Inge­nieu­re, Finanz‑, Logis­tik- und Nach­hal­tig­keits­fach­leu­te an. Die Idee ent­stand gemein­sam. 2010 stell­ten die Schwei­zer Han­dels­un­ter­neh­men Migros und Man­or eine Anschub­fi­nan­zie­rung für die Ent­wick­lung des tech­ni­schen CST-Grund­kon­zepts bereit. Die Grup­pe der Pio­nie­re erwei­ter­te sich ein Jahr spä­ter um inter­es­sier­te Unter­neh­men mit dem Ziel, eine Mach­bar­keits­stu­die zu ermög­li­chen. Sie wur­de 2016 fer­tig­ge­stellt und im März 2017 die Car­go sous ter­rain AG gegrün­det.

Die pri­vat­wirt­schaft­li­che Initia­ti­ve umfasst heu­te über 70 Aktio­nä­re. Die elf Haupt­in­ves­to­ren der Bau­be­wil­li­gungs­pha­se haben – nach Inkraft­tre­ten des „Bun­des­ge­set­zes über den unter­ir­di­schen Güter­trans­port“ am 1. August 2022 – im Sep­tem­ber 2022 die Ver­ant­wor­tung für die Wei­ter­ent­wick­lung von CST über- und eine Kapi­tal­erhö­hung vor­ge­nom­men. Bis Ende 2021 flos­sen bereits 17 Mil­lio­nen Schwei­zer Fran­ken (etwa 17,4 Mil­lio­nen Euro) in das Pro­jekt. Ab 2026 soll für geschätzt 3 Mil­li­ar­den Fran­ken ein ers­ter, 70 Kilo­me­ter lan­ger Tun­nel mit zehn Anschluss­stel­len zwi­schen Zürich und den natio­na­len Ver­teil­zen­tren in Nie­der­bipp (Kan­ton Bern) und Här­kin­gen (Kan­ton Solo­thurn) im zen­tra­len Mit­tel­land als Teil des spä­te­ren 500 Kilo­me­ter lan­gen Gesamt­net­zes ent­ste­hen.

Foto: angel_nt

Hubs: mehr als Schnitt­stel­len

Die tech­nisch größ­te Her­aus­for­de­rung sind die Hubs. Hier schwen­ken die Trans­port­be­häl­ter, bela­den mit bis zu vier Palet­ten, aus der Hori­zon­ta­len im Unter­grund in die Ver­ti­ka­le bis zur Ober­flä­che um. An den Schnitt­stel­len sind senk­rech­te „Lif­te“ vor­ge­se­hen, mit denen die Güter ent­nom­men und in das Hub-Sys­tem ein­ge­speist wer­den. Dabei kön­nen sowohl seit­lich als auch über­ein­an­der meh­re­re Tun­nel­fahr­zeu­ge gleich­zei­tig nach oben geho­ben und auf meh­re­ren Stock­wer­ken des Hubs be- und ent­la­den wer­den.

Die Hubs sind platz­spa­rend kon­zi­piert. Sie bean­spru­chen unter ande­rem durch die ver­ti­ka­le Schich­tung der Nut­zun­gen weni­ger Grund­flä­che als her­kömm­li­che Logis­tik­bau­ten. Das Kon­zept sieht ober­halb der Logis­tik­ebe­nen zudem auch ande­re, logis­tik­frem­de Nut­zun­gen vor, wie öffent­li­che Berei­che, Arbeits­plät­ze und Woh­nun­gen. Dies ent­spricht dem Trend, gera­de in Stadt­ge­bie­ten Logis­tik­flä­chen zu redu­zie­ren und mit urba­nen Nut­zun­gen zu kom­bi­nie­ren.

Ver­hal­te­ne Skep­sis

Mit der Wei­ter­ent­wick­lung der Orga­ni­sa­ti­on ver­än­dert sich auch das CST-Aktio­na­ri­at. So will sich SBB Car­go künf­tig auf ihr Kern­ge­schäft fokus­sie­ren und tritt als Aktio­nä­rin aus. Eine ope­ra­ti­ve Zusam­men­ar­beit von SBB Car­go und CST, zum Bei­spiel an gemein­sa­men Hub-Stand­or­ten oder in der City­lo­gis­tik, sei davon aber nicht betrof­fen.

Die Schwei­zer Stra­ßen­trans­por­teu­re sehen das Sys­tem unter­schied­lich: Nils Plan­zer von Plan­zer Trans­port bei­spiels­wei­se spricht sich offen gegen CST aus. Peter Gal­li­ker von Gal­li­ker Trans­port gehört dage­gen zum Unter­stüt­zungs­ko­mi­tee. Gemäß CST-Pres­se­spre­cher Patrik Ael­lig gibt es am Kon­zept ein gro­ßes Inter­es­se im Aus­land. In Ham­burg etwa ist ein „Smart City Loop“ mit einem ähn­li­chen Sys­tem, aber nur weni­ge Kilo­me­ter lang, im Gespräch. Der Tun­nel soll den Hafen unter der Elbe hin­durch mit der Innen­stadt ver­bin­den.

Foto: Sundry Photography/iStock

Vaku­um­röh­re

Als noch spek­ta­ku­lä­rer, aber eben­falls teils skep­tisch wird das 2013 von Elon Musk vor­ge­stell­te Open-Source-Kon­zept Hyper­loop gese­hen, an des­sen Ent­wick­lung welt­weit par­al­lel geforscht und gear­bei­tet wird. Bei Hyper­loop geht es um hohe Geschwin­dig­kei­ten (bis zu 1.200 Kilo­me­ter pro Stun­de) und klei­ne Lose, die auf einem Magnet­feld in strom­li­ni­en­för­mi­gen Kap­seln in einer nahe­zu luft­frei­en Röh­re beför­dert wer­den – ob in Tun­neln, auf dem Boden oder auf­ge­stän­dert instal­liert.

Im schwei­ze­ri­schen Mon­they und im US-ame­ri­ka­ni­schen Miami beschäf­tigt sich das 2019 gegrün­de­te Tech­no­lo­gie- unter­neh­men Swiss­pod mit sol­chen Trans­por­ten, aller­dings pri­mär für Per­so­nen. So soll spä­ter der „Flug in der Vaku­um­röh­re“ zwi­schen Genf und Zürich nur 17 Minu­ten dau­ern. Swiss­pod will in Colo­ra­do, USA, eine 1:1‑Anlage bau­en. Welt­weit pla­nen unter­schied­li­che Akteu­re Test­stre­cken. Das US-ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men Hyper­loop Trans­port Tech­no­lo­gies (Hyper­loop TT) wie­der­um hat rund 800 Exper­ten zu einem Netz­werk ver­bun­den und betreibt bereits eine Test­stre­cke in Tou­lou­se.

Die Ham­bur­ger Hafen und Logis­tik Akti­en­ge­sell­schaft (HHLA) und Hyper­loop- TT grün­de­ten 2018 das Joint Ven­ture Hyper­Port Car­go Solu­ti­ons (HCS). Sie ent­wi­ckeln seit­dem ein Kon­zept für einen Con­tai­ner­ha­fen mit Hyper­loop-Anschluss, den Hyper­Port. Pas­sen­de Pods für die Röh­ren ent­ste­hen bei­spiels­wei­se bei Swiss­loop, einem Ver­ein von Stu­die­ren­den der Schwei­zer Hoch­schu­len, und an der TU Mün­chen. Vir­gin Hyper­loop von Richard Bran­son hat bereits eine bemann­te Kap­sel in einer Vaku­um­röh­re los­ge­schickt – aller­dings nur über 500 Meter mit einer Geschwin­dig­keit von 172 Kilo­me­tern pro Stun­de.

Hoch die Con­tai­ner

Die Fir­men­grup­pe Max Bögl hat das voll­au­to­ma­ti­sier­te Trans­port Sys­tem Bögl (TSB) ent­wi­ckelt. Es han­delt sich um ein auf­ge­stän­der­tes elek­tro­ma­gne­ti­sches Schwe­be­sys­tem, das sowohl für den Per­so­nen- als auch für den Waren­ver­kehr aus­ge­legt wer­den kann. In der Car­go-Ver­si­on las­sen sich bei einer Takt­fol­ge­zeit von 20 Sekun­den bis zu 180 Con­tai­ner pro Stun­de und Rich­tung mit bis zu 150 Kilo­me­ter pro Stun­de beför­dern. Auf einer 860 Meter lan­gen Test­stre­cke im deut­schen Sen­gen­thal läuft TSB bereits erfolg­reich. Wäh­rend des ITS World Con­gress im Okto­ber 2021 in Ham­burg konn­ten Besu­cher eine 120 Meter lan­ge Demons­tra­ti­ons­stre­cke inklu­si­ve Wei­che und Umschlag vom Lkw auf das Sys­tem Car­go erle­ben.

Ein­satz­mög­lich­kei­ten sieht das Unter­neh­men in der Ver­tei­lung von Gütern zwi­schen stark fre­quen­tier­ten Logis­tik­hubs wie bei­spiels­wei­se Hafen­ter­mi­nals oder in der Hin­ter­land­an­bin­dung. Im Sep­tem­ber 2022 war das TSB-Team auf der Mes­se Inno­Trans ver­tre­ten und hofft, ers­te Kun­den inter­es­siert zu haben.