Mit dem Lkw durch die ara­bi­schen Wüs­ten

In Deutsch­land ist es erst 5 Uhr, wenn Sofi­an Abdal an der Bela­de­stel­le für sein „Wüs­ten­schiff“ im Hafen von Jebel Ali in Dubai, ein­trifft. In der Mor­gen­son­ne fun­kelt sein Mer­ce­des Actros 1844 mit Trai­ler, in dem er die nächs­ten Stun­den ver­brin­gen wird.

Von Kers­tin Kloss

Der 27-Jäh­ri­ge ist einer von 40 Fah­rern, die beim loka­len Stra­ßen­lo­gis­ti­ker ATS direkt ange­stellt sind und exklu­siv für Hell­mann ATS Road Solu­ti­ons arbei­ten, ein Joint Ven­ture (JV) von Hell­mann World­wi­de Logi­stics mit Stamm­sitz in Osna­brück und ATS World Group mit Sitz in Dubai. Monat­lich legt er bis zu 18.000 Kilo­me­ter auf der Ara­bi­schen Halb­in­sel zurück, sein Fahr­zeug muss tech­nisch in ein­wand­frei­em Zustand sein. Des­halb kon­trol­liert der Tru­cker bei Arbeits­be­ginn gewis­sen­haft, dass der Kof­fer­auf­bau kei­ne Beschä­di­gun­gen hat, prüft Rei­fen­druck, Öl- und Was­ser­stand. Wenn alles erle­digt ist und das Bela­den beginnt, checkt Abdal im War­te­raum die Fracht­pa­pie­re.

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Eine Lkw-Tour auf der Ara­bi­schen Halb­in­sel ist etwas kom­plett ande­res als in Euro­pa: „Hier fah­ren Tru­cker pro Stre­cke 2.000 bis 3.000 Kilo­me­ter“, sagt Mutasim Abuh­mai­dan, Geschäfts­füh­rer bei Hell­mann ATS Road Solu­ti­ons. Meist füh­ren die Rou­ten von Jebel Ali aus in die weit­läu­fi­ge Regi­on, die fast nur aus Wüs­te besteht.

Mit dem JV, das seit Sep­tem­ber 2023 aktiv ist, reagie­ren Hell­mann und das 1991 gegrün­de­te Fami­li­en­un­ter­neh­men ATS auf den frag­men­tier­ten Trans­port­sek­tor für Lkw-Kom­plett­la­dun­gen in den VAE und bie­ten ihren Kun­den län­der­über­grei­fen­de B2B-Logis­tik aus einer Hand. Die Osna­brü­cker Spe­di­ti­on ist bereits seit 1999 mit Luft- und See­fracht sowie Kon­trakt­lo­gis­tik­lö­sun­gen auf dem regio­na­len Markt ver­tre­ten. „Von Anfang an gab es auch Nach­fra­gen für die Dis­tri­bu­ti­on auf der Stra­ße“, berich­tet Fran­çois Coron, Geschäfts­füh­rer VAE bei Hell­mann World­wi­de Logi­stics. Durch das Joint Ven­ture lie­ßen sich jetzt viel bes­ser „die Stan­dards kon­trol­lie­ren“.

Von der regio­na­len Han­dels- und Logis­tik­dreh­schei­be Dubai geht das größ­te Volu­men im grenz­über­schrei­ten­den Stra­ßen­gü­ter­ver­kehr nach Jed­dah oder Riad in Sau­di-Ara­bi­en. Bela­den sind die Lkw vor allem mit Ersatz­tei­len für Autos, aber auch mit ande­ren Waren wie High­tech­pro­duk­ten, Kon­sum­gü­tern, Beklei­dung sowie mit Aus­rüs­tung für die Öl- und Gas­in­dus­trie.

Stra­ße ver­stärkt in Logis­tik­ket­ten ein­bin­den

„Kürz­lich haben wir China/Südostasien mit Ägyp­ten und Jor­da­ni­en mit einer beein­dru­cken­den Sea/­Land-Lösung ver­bun­den“, berich­tet Abuh­mai­dan. Nor­ma­ler­wei­se belie­fern See­schif­fe die­se Märk­te direkt über das Rote Meer, aber wegen ver­mehr­ter Angrif­fe von Hut­hi-Rebel­len aus dem Jemen mei­den die meis­ten Ree­de­rei­en momen­tan die­se Stre­cke.

„Trotz eini­ger admi­nis­tra­ti­ver Her­aus­for­de­run­gen bie­tet unse­re Lösung einen schnel­len und zuver­läs­si­gen Tran­sit­pro­zess“, sagt er.

Dar­über hin­aus müs­se ein Stra­ßen­trans­por­teur bei der Zoll­ab­fer­ti­gung stark auf­ge­stellt sein. „Wir sind der­zeit dabei, unse­re eige­nen Zoll­ab­fer­ti­gungs­stel­len an den Grenz­über­gän­gen in der Regi­on ein­zu­rich­ten und arbei­ten dabei mit Hell­mann-Büros in den jewei­li­gen Län­dern zusam­men“, erklärt Abuh­mai­dan.

Bis­her wird haupt­säch­lich Ladung vom See­ha­fen Jebel Ali ins Hin­ter­land trans­por­tiert, die Lkw kom­men leer zurück. Das soll sich in Zukunft ändern. „Wir ver­su­chen, über unse­re sau­di­schen Büros Kun­den mit regio­na­ler Ladung Rich­tung VAE zu fin­den“, sagt Coron. Bei­de Län­der gehö­ren dem Golf-Koope­ra­ti­ons­rat (Gulf Coope­ra­ti­on Coun­cil, GCC) an – eben­so wie Bah­rain, Katar, Kuwait und Oman.

Das GCC-Gebiet ist der Ope­ra­ti­ons­raum von Tru­cker Abdal, des­sen Mer­ce­des jetzt gegen 5:40 Uhr fast schon kom­plett bela­den ist. Jedes GCC-Land hat eige­ne Vor­schrif­ten, wel­cher Fahr­zeug­typ oder wel­ches Kenn­zei­chen für die Ver­la­dung von Gütern zuge­las­sen ist. „Ein Lkw mit VAE-Num­mern­schild kann bei­spiels­wei­se nicht von Sau­di-Ara­bi­en nach Kuwait fah­ren, was die Trans­port­mög­lich­kei­ten in der Regi­on ein­schränkt“, erläu­tert Abuh­mai­dan. Der gebür­ti­ge Jor­da­ni­er berich­tet, dass die meis­ten Fah­rer in der Regi­on nicht aus GCC-Län­dern, son­dern wie der Inder Abdal oft aus Süd- oder Süd­ost­asi­en stam­men. Für sie gel­ten jeweils unter­schied­li­che Visa­be­stim­mun­gen für Tran­sit­fahr­ten. „Die vie­len Varia­blen machen die Rou­ten­pla­nung kom­pli­ziert“, fin­det Abuh­mai­dan.

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Hin­zu kommt, dass Tru­cker in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten zwar kei­ne Len­kund Ruhe­zei­ten ein­hal­ten müs­sen, aber bei Hell­mann ATS dür­fen sie nicht län­ger als vier Stun­den am Stück fah­ren. Die Gesamt­lenk­zeit beträgt im Unter­neh­men zehn Stun­den pro Tag, ein­schließ­lich Ruhe­zei­ten liegt die Höchst­ar­beits­zeit damit bei täg­lich zwölf Stun­den. Abuh­mai­dan betont: „Wir haben in unse­rer eige­nen Flot­te umge­setzt, was den in Euro­pa gel­ten­den Vor­schrif­ten ähnelt.“

Hell­mann ATS will in Nah­ost wach­sen Über das Joint Ven­ture hat Hell­mann Zugang zu mehr als 600 ATS-Fahr­zeu­gen. Laut Abuh­mai­dan setzt das Gemein­schafts­un­ter­neh­men 70 bis 80 Pro­zent ATS-eige­ne Lkw ein: „Im grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr sind sie als Pla­nen­fahr­zeu­ge oder mit Kof­fer­an­hän­ger über­wie­gend etwa 13,6 Meter lang.“ Loka­le Sub­un­ter­neh­men stel­len zusätz­lich Spe­zi­al­fahr­zeu­ge wie Tief­bett-Lkw bereit. Gene­rell gel­ten zwar weni­ger stren­ge Vor­schrif­ten als in Euro­pa, „aber alle stim­men mit unse­ren Stan­dards über­ein“, betont der Mana­ger.

Ziel von Hell­mann ATS ist es, den Markt­an­teil des JVs im Stra­ßen­gü­ter­ver­kehr in Nah­ost deut­lich zu erhö­hen. Abuh­mai­dan arbei­tet dar­an, das Büro­per­so­nal bis Jah­res­en­de auf zwölf Köp­fe zu ver­dop­peln und das JV inner­halb der nächs­ten zwölf Mona­te in die Top Ten der regio­na­len Lkw-Trans­por­teu­re zu brin­gen. Als Brems­klotz könn­te sich dabei aller­dings Sau­di-Ara­bi­ens „Visi­on 2030“ mit einem mas­si­ven Hafen­aus­bau an der eige­nen Küs­te erwei­sen: Die sau­di­sche Regie­rung will den wich­tigs­ten Hafen des Lan­des in Jed­dah erwei­tern und plant neue Mega­hä­fen auf dem Reiß­brett. Das könn­te Ver­keh­re umlei­ten.

Es ist kurz vor 6 Uhr. Der Lkw von Abdal ist bela­den. Er lässt den Motor sei­ner Zug­ma­schi­ne an und macht sich auf den Weg durch die Wüs­te. (zp/fh)